Rezension

Spannend, mit Zeitgeschehen und Lokalkolorit

Im Haus der Lügen - Jürgen Ehlers

Im Haus der Lügen
von Jürgen Ehlers

Bewertet mit 5 Sternen

Hamburg in der Nachkriegszeit...

Nach „In Deinem schönen Leibe“ war „Im Haus der Lügen“ der zweite Krimi von Jürgen Ehlers, den ich gelesen habe. Es ist zwar eine Reihe von mindestens 6 Büchern, aber ich bin vollkommen problemlos in die jeweilige Handlung gekommen.

Der Protagonist dieser Reihe ist Kommissar Wilhelm Berger, er ist jetzt aus dem 2. Weltkrieg in seine Heimatstadt Hamburg zurückgekehrt und beginnt im Januar 1947 wieder, bei der Polizei zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt wird die Hansestadt durch den sog. „Trümmermörder“ in Angst und Schrecken versetzt.

Als dann in einem Teich die nackte Leiche eines unbekannten Mannes gefunden wird, liegt der Verdacht nahe, dass der „Trümmermörder“ erneut zugeschlagen hat. Aber Wilhelm Berger hat eine andere Theorie... Doch mehr sei hier an dieser Stelle nicht verraten!

Mir hatte schon „In Deinem schönen Leibe“ die Charakterdarstellung von Wilhelm Berger gut gefallen: er steht zwar dem nationalsozialistischen Gedankengut skeptisch gegenüber, aber es hindert ihn nicht, sich durch private Kontakte zum Gauleiter Karl Kaufmann kleine „Vorteile“ zu verschaffen, z.B. als er wegen „regierungsfeindlichen Äußerungen“ denunziert wird oder aber um seiner Stieftochter Susanne, einer Halbjüdin, die Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen. Ich denke, er nur „seine Nische“ gesucht, sicher nicht korrekt, aber die Beweggründe waren für mich menschlich verständlich und nachvollziehbar...  Als er sich jedoch im vorliegenden Band erneut an den ehemaligen Gauleiter wendet, war ich dann doch etwas irritiert... Sein Kollege Wilfried Pagels sieht es ähnlich: „Hast du mir nicht gerade vor wenigen Tagen erklärt, dass du ohne eigenes Verschulden in immer neue Abhängigkeiten von dem Gauleiter hineingeschlittert bist? Und nun ist der ganze Zirkus vorbei, und du weißt nichts Besseres zu tun, als dich in neue Abhängigkeiten zu begeben?“ „Es ist geschehen“, sagte Berger kleinlaut.“ (S. 35)

Denn anders als Wilhelm Berger, der sich immer mal wieder mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt und seine Fehler einsieht, wäscht der Gauleiter (!) „seine Hände in Unschuld“ und erklärt: „Um das gleich vornweg zu sagen: Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Ich bin unschuldig. (...)Wenn es in Hamburg während des Dritten Reichs zu irgendwelchen Unregelmäßigkeiten gekommen ist, so habe ich davon nichts gewusst.“ (S. 48) In seiner Erinnerung habe er die Juden beschützt...

Ich bin regelrecht durch dieses Buch „geflogen“, der Schreibstil war sehr angenehm und flüssig, der Spannungsbogen hoch: wir Leser schauen Wilhelm Berger und seinen Kollegen über die Schulter und nehmen Anteil an ihren Ermittlungen, wir verzweifeln mit ihnen über die vielen Lügen (sind es wirklich alles Lügen?). Es wird aber auch viel Zeitgeschehen und Lokalkolorit eingefangen, so dass ich mir Hamburg in der Nachkriegszeit  sehr gut vorstellen konnte (und ich bin kritisch, da ich selbst Hamburgerin bin!). Und mir gefallen Bücher, in denen sich die Protagonisten ehrlich und authentisch mit ihren Handlungen im Nationalsozialismus auseinandersetzen!

Mir hat dieses Buch so gut gefallen, dass ich mit Sicherheit noch das eine oder andere Buch aus dieser Reihe um Wilhelm Berger lesen werde. Dieser Krimi hat mir spannende, aber auch nachdenkliche Lesemomente beschert, ich kann es deshalb mit sehr gutem Gewissen weiterempfehlen!