Rezension

Starke Dystopie im Weltall

Sternenfeuer 01 : Gefährliche Lügen - Amy Kathleen Ryan

Sternenfeuer - Gefährliche Lügen
von Amy Kathleen Ryan

Bewertet mit 5 Sternen

"Gefährliche Lügen" von Amy Kathleen Ryan ist der erste Teil der "Sternenfeuer"-Trilogie, einer Dystopie, die in ferner Zukunft auf zwei Raumschiffen mitten im Weltall spielt.

Inhalt: Waverly und Kieran gehören zu den ältesten Kindern, die auf der Empyrean, einem Sternenschiff, das bereits vor Jahrzehnten die Erde verlassen hatte, um einen neuen Heimatplaneten für die Menschheit zu besiedeln, geboren wurden. Sie planen bereits ihre Hochzeit, denn die Fortpflanzung, um das Überleben der Menschen an Bord zu sichern, hat oberste Priorität. Doch während das Schiff durch dichten Nebel fliegt, nähert sich plötzlich das zweite Sternenschiff, die New Horizon, die eigentlich ein Jahr vor der Empyrean gestartet war und ihr weit voraus sein müsste. Ein Gerücht macht sich breit: Auf der New Horizon wurden niemals Kinder geboren. Der Verdacht wird Gewissheit, als das andere Schiff angreift, die Mädchen entführt und viele Erwachsene tötet. Die Jungen bleiben allein zurück und Kieran ist plötzlich verantwortlich für ein Schiff voller Kinder und von Waverly getrennt, die auf die New Horizon verschleppt wurde...

"Sternenfeuer - Gefährliche Lügen" hat mich von der ersten Seite an gepackt, wie schon lange kein Buch mehr. Es ist keine Science Fiction für schwache Nerven, denn es ist schockierend und voller körperlicher, aber auch psychischer Gewalt und besonders das Schicksal der verschleppten Mädchen macht wütend und traurig. Allerdings kann ich diesem Buch die Gewalt nicht als Makel vorwerfen, denn sie fügt sich stimmig in die Geschichte ein und macht auch einen großen Teil der Glaubwürdigkeit dieses dystopischen Szenarios aus. Was ich kritisieren würde, ist eher die Einstufung als Jugendroman bzw. die Altersempfehlung. Amazon zum Beispiel empfiehlt das Buch für 12-16-Jährige und da würde ich eindeutig widersprechen. Es ist ein All-Age-geeignetes Buch, aber auch wenn die Protagonisten, Waverly und Kieran mit 15 und 16 Jahren Jugendroman-typisch jung sind, würde ich das Buch auf gar keinen Fall unter 14-Jährigen - vielleicht sogar erst ab 16 Jahren - empfehlen und auch unter denen bzw. auch unter Erwachsenen nur den etwas härter Gesottenen. Für eine etwas höher angesetzte Altersempfehlung sprechen neben der Gewalt für mich allerdings auch die Themen Religion und Fortpflanzung, die in diesem Buch auf eine Weise behandelt werden, die zu junge Leser eventuell noch überfordern könnten.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen die beiden ältesten Kinder der Empyrean, Waverly und Kieran, aus deren Sicht die Abschnitte im Buch abwechselnd erzählt werden. Während Waverly von der Crew der New Horizon entführt wird und dort gegen Ungerechtigkeiten, religiösen Fanatismus und dreiste Lügen kämpfen muss, muss Kieran die nach dem Angriff fast zerstörte Empyrean wieder auf Kurs bringen, um die Mädchen zurückzuholen. Beide Charaktere sind sehr gelungen und überzeugen, wie auch alle Nebencharaktere im Buch, durch ihren Facettenreichtum. Ein Schwarz-Weiß, eine harte Einteilung in "Gut" und "Böse", gibt es in "Sternenfeuer" nicht - dazu haben beide Seiten, selbst die Besatzung der New Horizon, die mich mit dem Weg, den sie einschlagen, um endlich Kinder bekommen zu können, einfach nur wütend gemacht und angewidert haben, zu gute, nachvollziehbare Argumente, die man vielleicht nicht gutheißen, aber doch verstehen kann. Auch Kieran, der in einem anderen Jungen namens Seth seinen Gegenspieler findet, ist kein Charakter, den man bedingungslos lieben wird. Ganz im Gegenteil war ich beim Lesen oft hin- und hergerissen, ob ich nun auf Seth' oder auf Kierans Seite stehen sollte.

Der Handlungsverlauf entwickelt sich nicht, wie so oft bei Jugendromanen, durch blinde, impulsive, nicht selten aus Liebe getroffene, übereilte Aktionen. Stattdessen zeigen die Charaktere in der Regel ein sehr rationales Vorgehen und verwerfen auch mal einen Plan, wenn er zum Scheitern verurteilt ist, wodurch die Entwicklung der Handlung äußerst nachvollziehbar und realistisch erscheint. Der Wechsel der Perspektiven zwischen Kieran und Waverly sorgt zudem für Abwechslung, ohne so häufig zu sein, dass er die Geschichte bei den beiden Charakteren auf störende Weise unterbrechen würde.
Der Schreibstil trug zu guter Letzt erheblich zu der gelungenen Atmosphäre dieses Romans bei. Er lässt sich nicht nur flüssig lesen, sondern schafft es auch trotz Erzählung in der dritten Person, die Gefühle und Stimmungen durch sehr eindringliche Beschreibungen plastisch zu vermitteln, sodass ich das Buch einfach nicht aus der Hand legen konnte und beim Lesen diverse emotionale Höhen und Tiefen durchlaufen habe.

Fazit: Eine sehr beeindruckende dystopische Science-Fiction, die einfach Lust auf mehr macht. Die Handlung ist nichts für Schwache nerven, dafür aber sehr glaubwürdig und so schockierend, dass sie mich vollkommen gefesselt hat. Für Leser ohne schwache Nerven und sicher nicht für unter 14-Jährige kann ich dieses Buch nur empfehlen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung. 5 Sterne.