Rezension

Thriller mit einigen Mankos

Schmerzwinter -

Schmerzwinter
von Aaron Sander

Bewertet mit 3 Sternen

Hamburg wird unfreiwillig zum Gruselschauplatz, als zwei im Schnee drapierte extrem grausam zugerichtete Frauenleichen in einem Park aufgefunden werden. Beide Frauen wurden schon länger vermisst, der Mörder hat sie mit eingepflanzten Gegenständen und durchbohrten Gliedmaßen zu Marionetten umfunktioniert. Der gebürtige Schwede Jan Nygård, der in Hamburg als Kommissar arbeitet, vermutet beim Anblick der Leichen sofort einen Nachahmungstäter des Puppenmachers, der allerdings für den Rest seines Lebens das Gefängnis nicht mehr verlassen wird. Nygård macht sich mit seinem Team auf die Suche nach dem Täter, doch private Probleme lenken ihn immer wieder ab, wodurch er nicht nur sich, sondern auch seine Tochter in Gefahr bringt. Wird er den Killer finden und dingfest machen, bevor weitere Leichen gefunden werden?

Aaron Sander hat mit „Schmerzwinter“ sein Thrillerdebüt vorgelegt, das zwar mit rasantem Tempo und interessanten Perspektivwechseln sowie allerlei psychologischen Tricks unterhält, jedoch vom Erzählstil her wenig anspruchsvoll ist. Gleich zu Beginn schon werden die abartig verunstalteten Frauenleichen sehr detailliert beschrieben, so dass sich automatisch Bilder im Kopf des Lesers bilden und das Gefühl vermitteln, man steht selbst am Tatort. Sander lässt dem Leser mit seiner Effekthascherei keine Pause, die Schauplätze wechseln immer wieder, neue Morde geschehen und der recht aggressive Kommissar taumelt durch die Handlung, weil er durch sein aufbrausendes Verhalten und seine eigene Privatbaustellen ständig abgelenkt wird. Unglücklich gelöst ist auch die Tatsache, dass der Leser die Tatbestände des Privatlebens Nygårds nur häppchenweise erfährt und diese bis zum Schluss nicht zufriedenstellend aufgelöst werden. Die Jagd nach dem Täter erfolgt impulsiv und ohne erkennbare reale Ermittlungsarbeit. Die ganze Handlung kommt eher reißerisch als durchdacht rüber. Die Nygård als Wachhund zur Seite gestellte Psychologin Anna Wasmuth wirkt ebenso unglaubwürdig, zeigt es doch, dass der Kommissar ein Pulverfass ist, dem man die Ermittlungsarbeit nur eingeschränkt zutraut. Das wirkt auf den Leser auch nicht gerade vertrauenswürdig. Zudem wird die Identität des Killers recht schnell offengelegt, was das Miträtseln des Lesers abrupt beendet und es nur noch darum geht, diesen dingfest zu machen. Dies wird leider mit viel Brimborium in die Länge gezogen, was für einen guten Psychothriller reines Gift ist. Der Spannungsbogen ist zwar konstant hoch, unglücklicherweise stellt sich der Autor aber mit den einzelnen Mankos aber selbst ein Bein.

Die Charaktere sind 08/15, bieten kaum Sympathiepunkte aufgrund fehlender positiver Eigenschaften. Nygård selbst ist ein Ausbund an Aggressivität, er eckt ständig an, tritt seinen Kollegen auf die Füße und ist eine Gefahr für sein Umfeld. Er hat einen zweifelhaften Lebenswandel und wundert sich, dass seine Tochter mit ihm nur noch das Nötigste zu tun haben will. Anna Wasmuth ist zu lieb und nett, die Psychologin nimmt man ihr nicht ab, dafür gibt sie zu viele Allgemeinweisheiten von sich.

„Schmerzwinter“ ist ein Thriller, von dem man leider nicht zu viel erwarten darf. Er bietet Unterhaltung und einen gewissen Spannungsbogen. Allerdings wird die Identität des Täters viel zu früh präsentiert, das Mitraten und Weiterlesen des Lesers hat sich somit erledigt. Die gesichtslosen, unnahbaren Protagonisten bleiben dem Leser bis zum Schluss fremd. Insgesamt kurzweilige Lektüre für zwischendurch, aber von einem Thriller der Meisterklasse meilenweit entfernt. Kann man lesen, muss man aber nicht. Eingeschränkte Leseempfehlung!