Rezension

Tiefgründige Geschichte mit kleinen Schwachstellen

Was wir auch tun - Marie Lucas

Was wir auch tun
von Marie Lucas

Bewertet mit 3 Sternen

„Ich würde das für dich tun, weißt du?“ Und in diesem Augenblick glaubte sie das auch. In diesem Augenblick glaubte sie, dass nichts und niemand zwischen sie und Alex kommen könnte, denn schließlich liebt sie ihn, sie liebt ihn.“ (S.174)

Die 16-jährige Robin ist daran gewöhnt, ihren Willen durchzusetzen. Sie stammt aus einem gut behüteten Elternhaus, in ihrer Klasse ist sie beliebt und bei den Jungen gilt sie als unnahbar. Umso erstaunter sind alle, als sie eines Tages mit dem Außenseiter und notorischen Schulschwänzer Alex zusammenkommt. Alex sieht auf eine dunkle, geheimnisvolle Art gut aus. Er ist cool, und trotzdem ist etwas Brutales an ihm, etwas Abschreckendes, daher ist er nicht gerade beliebt. Anfänglich gefällt Robin die schweigsame, undurchdringliche Art von Alex. Doch je länger sie ihn kennt, je mehr sie ihn wirklich mag, desto mehr stört es sie, ihm nicht näherzukommen. Nur Jasper, Robins Exfreund, scheint plötzlich mehr über ihn zu wissen. Er lässt immer öfter Andeutungen fallen und macht seltsame Anspielungen. Schließlich bedrängt er Alex: Jasper zwingt ihn zu einem Deal: Einen Abend mit Robin - im Austausch dafür, dass er niemandem Alex` gefährliches Geheimnis verrät…

Meine Meinung

  • Handlung / Verlauf der Geschichte

„Was wir auch tun“ beginnt vollkommen anders als ich erwartet habe. Im Prolog konfrontiert einen die Autorin mit einer erschreckenden Szenen, in der zwei Charaktere von einem Feuer eingeschlossen werden und um ihr Überleben kämpfen. Dieser kleine Vorausblick hat natürlich sofort meine Neugier geweckt, sodass ich am liebsten auf der Stelle erfahren hätte, was denn wohl passieren wird, damit es dazu kommt. Doch wie ihr euch sicher vorstellen könnt, wurde ich erst einmal schön auf die Folter gespannt…Die Handlung schlägt von da an nämlich einen ruhigeren Ton an und wir lernen Alex, Robin und Jasper etwas besser kennen.
Alex und Robin könnten auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein. Sie führen zwei vollkommen verschiedene Leben, was jedoch nichts daran ändert, dass sie sich zueinander hingezogen fühlen. Sehr zum Ärger von Jasper, der sich fest in den Kopf gesetzt hat seine Exfreundin zurückzuerobern, kommen sich die beiden auch schnell näher.

Die Beziehung von Robin und Alex ist ein ständiges Auf und ab. Man spürt zwar welche Gefühle sie füreinander hegen, doch Alex abweisendes Verhalten macht es ihrer Liebe alles andere als leicht. Er scheint sich einfach nicht auf Robin einlassen und ihr sein Vertrauen zu schenken zu können, was an seiner schwierigen Vergangenheit und einem Geheimnis liegt, welches ihm schwer zu schaffen macht. Wie schwer bekommt der Leser immer wieder hautnah mit. Hinzukommen Jaspers permanente Versuche Robin und Alex auseinander zu bringen. Eine Intrige folgt auf die nächste, was mir irgendwann ziemlich auf die Nerven gegangen ist.

Besonders der Mittelteil war für meinen Geschmack zu viel Gefühlsquaos, zu viel Lügen, zu viel Drama. Ich musste mich ein bisschen durch die Seiten quälen, wobei es auch einige schöne Momente gab. Das letzte Drittel des Buches hat mich schließlich vollkommen überrascht, da zuvor nur wenig Spannendes passiert ist. Plötzlich nimmt die Geschichte jedoch eine sehr unerwartete Wendung, nach der ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen konnte. Außerdem wollte ich endlich auflösen, welche Ereignisse aus Alex und Robins bisherigem Leben sie dazu veranlasst haben, eine Schutzmauer um sich herum zu errichten, um ja nicht verletzt zu werden.

Zum Schluss, nachdem sich meine restlichen Fragen beantwortet hatten, konnte mich die Handlung dann doch noch sehr mitnehmen, da ich mit einigem so überhaupt nicht gerechnet hätte. Ich war absolut gefesselt :)

  • Schreibstil

Der Schreibstil von Marie Lucas war sehr angenehm und flüssig zu lesen, sodass die Seiten schnell an mir vorbeigeflogen sind. Der ständige Perspektivwechsel hat mir gut gefallen, da man so einen Einblick in die Gedanken und Gefühle der einzelnen Charaktere bekommt und sich in sie hineinversetzen kann, auch wenn man manche Entscheidungen und Handlungen nicht nachvollziehen kann. Stellenweise war mir die Stimmung zu nüchtern und distanziert, aber das ist nur mein einziger Kritikpunkt an ihrem Stil. Ein Aspekt hat mir an ihrer Geschichte ganz besonders gefallen: Frau Lucas zeigt, was passiert wenn man sich von seinen Ängsten zu sehr leiten lässt und versucht mit seinen Problemen alleine fertig zu werden. Für einen gewissen Zeitraum geht dieses Verhalten zwar gut, doch auf Dauer kann es auch zur Belastung werden. Vor allem wenn man immer wieder Menschen, die einem eigentlich am Herzen liegen, von sich stößt und verletzt.

  • Charaktere

Mit Robin bin ich bis zum Ende nicht so richtig warm geworden. Sie war mir jetzt nicht unsympathisch, aber ans Herz ist sie mir auch nicht unbedingt gewachsen. Dafür fand ich sie zwischendurch etwas zu anstrengend. Darüber hinaus konnte ich ihr Verhalten nicht immer nachvollziehen. Wäre ich an ihrer Stelle, hätte ich längst einen Schlussstrich gezogen und Jasper klipp und klar gesagt, dass nichts mehr zwischen uns laufen wird. Nachdem ich allerdings mehr über sie erfahren habe und einen Einblick in ihre Gefühlswelt bekommen habe, konnte ich sie besser verstehen, denn Robin hatte es bisher nicht leicht. Ihre Mutter ist früh gestorben, ihr Vater hat kaum Zeit für sie und auch ihre Großeltern, die für sie zum Elternersatz geworden sind, sind mittlerweile nur noch wenig für sie da. Einzig ihre Haushälterin Carmen hat ein offenes Ohr für sie. Robin fühlt sich von allen alleine gelassen und wünscht sich nichts anderes als endlich von ganzem Herzen geliebt zu werden.

Um ehrlich zu sein bin ich auch mit Alex nicht richtig warm geworden, obwohl ich ihn doch, irgendwie mochte. Man merkt von Anfang an, dass er mit großen Problemen zu kämpfen hat und sein Leben bis jetzt alles andere als leicht war. Aufgewachsen mit einem Vater, der seine Wut an ihm und seinem großen Bruder ausgelassen hat, bis sein Bruder älter wurde und ihn vor den Gewaltausbrüchen beschützt hat. Kein Wunder, dass die beiden eine enge Verbindung zu einander haben, selbst als Anton für mehrere Jahre ins Gefängnis musste. Unbändige Wut ist sein ständiger Begleiter, die er nur zu gerne herauslässt. Diese Seite an ihm hat mir nicht so gut gefallen, auch wenn ich nachvollziehen konnte wieso er so geworden ist. Im Vergleich dazu hat mir seine verletzlichere Seite viel besser gefallen. Zum Schluss ist eine deutliche Entwicklung bei ihm erkennbar und er verändert endlich etwas an seinem bisherigen Leben.

Jasper ist leider auch kein Sympathieträger. Ich konnte zwar verstehen, wieso er so handelt – er liebt Robin wirklich sehr und möchte wieder mit ihr zusammen sein - doch zu welchen Mitteln er dabei greift, fand ich nicht ganz so toll…

Mein Fazit

„Was wir auch tun“ von Marie Lucas war ganz anders als ich es erwartet hatte. Ein Blick auf den Klappentext verrät ja schon, dass die Dreiecksgeschichte zwischen Robin, Alex und Jasper im Vordergrund stehen wird, aber welche Lügen, Intrigen und Geheimnisse sich im Laufe des Buches offenbaren, hat mich dann doch überraschen können. Besonders zum Ende hin, konnte ich deshalb kaum mehr aufhören zu lesen. Allerdings bin ich nicht so ganz mit den Charakteren warm geworden, was vor allem an Frau Lucas etwas nüchternen und distanzierten Stil lag.