Rezension

Toll und viel zu viel des Guten

American Gods - Neil Gaiman

American Gods
von Neil Gaiman

Bewertet mit 3 Sternen

Dieses Buch ist unglaublich, unfassbar verrückt, unfassbar kompliziert und unfassbar gut erzählt. Mit viel Humor und einer Sprache, die man schlürfen könnte, erzählt Neil Gaiman eine Geschichte, die irgendetwas zwischen einem Alptraum und einem Götterepos ist. Auch Stefan Kaminski liest göttlich. Ein Wunder, wie viele Stimmen dieser Mann beherrscht.

Grob: Die alten Götter sind im Laufe der Jahrtausende alle in Amerika gestrandet, wo sie vom Aussterben bedroht sind, weil keiner mehr an sie glaubt und weil sie außerdem von den neuen Göttern der Medien und des Kommerzes verdrängt werden. Ja, das Thema ist schon gelegentlich behandelt worden und man verfolgt das Geschehen auch mit einiger Skepsis. Außerdem wird die berechtigte Frage, warum wohl alle Götter ausgerechnet in Amerika in Rente gehen, einfach vernachlässigt. Gut, die Welt geht auch gerne in Amerika unter, vielleicht ist es einfach prädestiniert für globale Katastrophen.

In dieses Chaos wird Shadow verwickelt, der frisch aus der Haft entlassen erfahren muss, dass seine Frau gestorben ist, was nicht so schlimm wäre, da sie ihm noch als Geist erscheinen kann, um ihn zu bitten, sie ins Leben zurückzuholen. An dieser Stelle denkt man: Aha, eine Orpheus-Variante, Orpheus meets Percy Jackson? Aber gar so einfach ist es dann doch nicht.

Shadow bekommt ein Jobangebot von Mr. Wednesday, der natürlich selbst ein Gott ist und ihn auf seltsame Missionen schickt. Bis dahin kann man der Handlung weitgehend folgen, auch wenn die zahlreichen Zwischenspiele, die Episoden zur Götterverehrung aus unterschiedlichsten Zeitaltern und unterschiedlichsten Völkern zum Besten geben, ein wenig stören. 
Dann wird es aber nahezu irrwitzig. Wir treffen die exotischsten Götter in ganz Amerika. Da ist Bastet, die ein Bordell für spezielle Bedürfnisse führt, Tschernobog, der gerne mit seinem Hammer Köpfe einschlägt und bei drei reizenden alten Damen wohnt, die irgendwas mit dem Lauf der Sterne zu tun haben. Loki fährt Taxi, Thor ist irgendwann in der 20ern gestorben, was mit Kali war, habe ich vergessen. 
Ja, es wird noch immer wunderbar erzählt. Wenn man gerade nicht verzweifelt, amüsiert man sich sehr. Es ist toll und viel zu viel des Guten. Auch Shadows Alpträume, die unter gewissen Aspekten Realität sind, helfen kein bisschen. Im letzten Drittel kann man nicht mehr genau sagen, wer denn nun eigentlich noch lebt, oder wer tot ist und trotzdem noch kämpft. 

Bis zum Schluss habe ich gehofft, dass mir wenigstens eine tiefsinnige Botschaft mit auf den Weg gegeben würde, wenn wir uns schon so grundlegend mit Gott und der Welt beschäftigen. Sie steckt da ganz sicher irgendwo im Getümmel. Leider habe ich sie nicht vernommen.
„American Gods“ ist ein Buch mit einer fantastischen Idee, das den Leser mit seinem Ideenreichtum erschlägt. Man bleibt verwundert zurück mit der Frage: Was will mir der Autor damit sagen? und dem Wunsch: Hätte er es doch bloß getan.