Rezension

Trauerarbeit nach großem Verlust / Klappentext leider etwas irreführend

Zwei in einem Herzen - Josie Silver

Zwei in einem Herzen
von Josie Silver

Bewertet mit 3 Sternen

Lydia muss mit wohl einer der schlimmsten Dinge überhaupt umgehen: ihr Verlobter Freddie stirbt bei einem Autounfall. Sein bester Freund seit Jugendzeiten, Jonah, sitzt am Beifahrersitzt und kommt mit einer kleinen Narbe im Gesicht davon. Die noch nicht einmal 30jährige Lydia plante mit ihrem Verlobten gerade ihre Hochzeit und wollte am Unfallabend eigentlich mit der kompletten Familie ihren Geburtstag feiern. Ihre Welt bricht zusammen, genauso auch auf eine gewisse Art und Weise ihre Freundschaft zu Jonah. Sie schaffen kaum mehr eine normale Unterhaltung miteinander zu führen und die Trauer scheint beide aufzufressen. Gestützt wird Lydia von ihrer Schwester Elle sowie deren Mutter. Als sie vom Arzt Schlaftabletten verschrieben bekommt, erhält sie eine Chance Freddie wieder zu sehen, nämlich in einer Art Parallelwelt, in der der Unfall nie geschehen ist. Verständlicherweise rettet sie sich immer wieder in das Leben mit Freddie, vernachlässigt dadurch die Realität, muss jedoch nach und nach feststellen, dass auch die Parallelwelt nicht nur Freude vorzuweisen hat. Schafft sie es, sich wieder in ihr richtiges Leben zurück zu kämpfen und die Zügel in die Hand zu nehmen? 

Wer meine Beschreibung der Geschichte mit dem Klappentext vergleicht, wird vielleicht feststellen, dass jeweils der Fokus auf einem anderen Thema liegt: einmal das Thema Liebe und zum anderen ganz klar das Thema Trauer. Meiner Meinung nach ist der Klappentext sehr irreführend und einfach nicht passend. Man erwartet einen eher typischen Liebesroman, was man jedoch meiner Meinung nach nicht vorrangig erhält. Lydia und Jonah gehen sich in der Geschichte größtenteils aus dem Weg und haben eher Probleme, durch den geschehenen Autounfall, wieder auf eine Art "gleichen Nenner" zu kommen. Ihr Bindeglied Freddie ist nicht mehr da, der diese Dreiergruppe zusammen schweißte. So geht man den Roman mit komplett falschen Vorstellungen an, was mich schon sehr gestört hat und dementsprechend auch meine Lesefreude gemildert hat. Sehr schade, da dies vor allem nur durch den Klappentext ausgelöst wurde. Man erwartet einfach eine stetige Annäherung von Lydia und Jonah, die eher gemeinsam die Trauerarbeit leisten. Wie bereits erwähnt, war dies eben nicht der Fall.

Allgemein empfand ich die Geschichte als sehr emotional. Ich musste bei einigen Szenen die Taschentücher zücken, da meiner Meinung nach Lydias Gefühlswelt gut nachvollziehbar ist. Sie fühlt sich ohne Freddie verloren und weiß mit ihrer Trauer kaum umzugehen. Alkoholika aller Art sind ihre treuen Begleiter, was ich äußerst amüsant fand und auch ihre Trägheit in Bezug auf das Leben konnte ich nachfühlen. Den einen Moment noch plante sie ihr Leben mit ihrem Traummann und im anderen Moment sitzt sie in ihrem Haus und starrt den Sessel ihres verstorbenen Freundes an. Ich fand es gut, dass die Autorin auf diese schrecklichen Ereignisse im Leben realistisch eingeht und den Fokus auf die Trauerarbeit legt. 
Die "Trauerarbeit" zieht sich durch das komplette Buch und zeigt sich auch mit Höhen und Tiefen. Es gibt Rückschläge und kleine, sowie große Fortschritte in Lydias Leben, die mich als Leser sehr berührten. Ich fieberte mit Lydia mit, konnte dann aber gleichzeitig auch wieder ihre Antriebslosigkeit oder Fehlentscheidungen vollkommen nachvollziehen. Sie war für mich als Hauptfigur greifbar, so dass ich den Weg auf eine Gewisse Art und Weise mit ihr gehen durfte.
Genau das hat die Autorin wunderbar gezeigt: die schrecklichen Erlebnisse und die wirren Emotionen, die einen wieder in die richtige Bahn lenken sollen.

Was keinen richtigen Realitätsbezug hat, sind die "Ausflüge in die Parallelwelt". Hier bekommt das Buch einen leichten Fantasycharakter, man sollte jedoch einfach nicht zu stark darüber nachdenken, sondern sich einfach darauf einlassen. Erst später überblickt man den kompletten Sinn dieser Welt. Auch hier kann man Lydias Sehnsucht spüren, genauso wie den Trost, den sie durch ihre Ausflüge erhält. Freddie lebt dort unbeschadet weiter und sie leben ihr geplantes Leben. Nach und nach passieren aber auch dort unschöne Dinge. Da ich nicht zu viel verraten möchte, gehe ich nicht weiter auf diese "Im Schlaf"-Kapitel ein. 

Josie Silver hat definitiv ein Händchen für einen gefühlvollen und emotionsgepackten Schreibstil. Man kann gut in die Geschichte eintauchen und leidet auch mit Lydia mit. Gleichzeitig freute ich mich sehr über ihre Fortschritte und las einfach nur Kapitel nach Kapitel. Der Text kann fließend gelesen werden und auch die zeitliche Abfolge der Geschichte ist klar angezeigt und zudem noch durch Datumsangaben am jeweiligen Kapitelanfang unterstützt.

Leider muss ich noch einmal erwähnen, dass der Klappentext den Leser einfach einen anderen Ablauf der Geschichte erwarten lässt. Dies zerstörte für mich die Lesefreude, da man von Kapitel zu Kapitel immer wieder auf eine Änderung der Dynamik wartet. Diese passiert nur einfach nicht bzw. viel zu spät. Der Fokus wird klar auf Lydia und ihre Trauerarbeit gesetzt, was eine wunderbare Geschichte ergibt.