Rezension

Trügerische Idylle

Kaltes Weiß - Simone Dark

Kaltes Weiß
von Simone Dark

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist immer wieder beeindruckend, was man mit dem geschriebenen Wort so alles erreichen kann. „Kaltes Weiß“ kommt so beschaulich daher. Nicht wie ein herkömmlicher Thriller! Nein, der Reiz dieses Buches besteht für mich eigentlich in den detaillierten Beschreibungen der wunderbaren Natur Südtirols, in der beschaulichen Welt der Menschen, ihre einfache, den äußeren, harten Bedingungen angepasste Art zu leben. Und das kalte Weiss, dass immer wieder für bedrohliche Situationen sorgt!

Ferdinand Gufler, der Junge aus dem hinteren Martelltal, lebt dort mit seinen Eltern Reinhold und Marie und seinen Großeltern Franz und Else vom Schildbauernhof. Es wird sehr eindrucksvoll von ihrem einfachen Leben erzählt bis dann der kleine Ferdinand geboren wird. Von da an bestimmt er vordergründig den Fortgang der Story. Da ist von einer toten Eidechse im Suppentopf die Rede, von den Ereignissen rund um das steife Bein des Jungen, von der Deutschen, die er liebte sein ganzes, kurzes Leben lang...

 Von den Personen her wird der gesamte Roman im wesentlichen von Ferdinands Geschichte getragen. Am Ende des Buches ist er noch nicht ganz 18 Jahre alt. Er kannte nicht die große, weite Welt, nur seine engere Heimat. Ich habe lange darüber nachgedacht, was in seinem Leben schief gelaufen ist. Ich gebe mich mit meinem Fazit zufrieden, dass es so ein Schicksal auch geben kann. Ferdinand ist ein Bergbauersohn, der das Unglück anzuziehen scheint, wie die Motte das Licht. Sehr oft passieren schlimme Dinge, bei denen er mehr oder weniger involviert war. Bis es dann zum Ende hin eskaliert und es kein Happy End mehr gibt. Auf mich wirkte sein Verhalten beängstigend. Ferdinand war mir irgendwie unheimlich, aus der Zeit gefallen oder zurückgeblieben? Der Leser muss sich selbst ein Bild vom Wesen Ferdinands machen! Gruselig ist nicht nur seine Trophäensammlung, die er unter seinem Bett in einem Glas mit Schraubverschluss aufbewahrt. Eine Szene will ich hier zitieren. Ferdinand ist 14 Jahre alt, seine Oma starb im Wald und bei der Aufbahrung ihrer Leiche im eigenen Bett flüstert ihr der Junge ins Ohr:

„Weißt du, Omi, ich bin glücklich darüber, dass du tot bist.“[S. 190]

Die Lektüre beginnt im Jahr 1994 und endet 2018. Es gibt 35 fortlaufende Kapitel, untertitelt mit dem kompletten Datum, sodass man sofort im Bilde ist. Die fünf Teile und der Epilog sind optisch durch die weiße Schrift auf den schwarzen Seiten abgehoben, von außen sichtbar. Ein Glossar am Ende des Buches gibt Auskunft über in Südtirol gebräuchliche Wörter und eine geographische Karte in der hinteren Umschlagsseite zeigt das Martelltal und seine Umgebung.

Die Covergestaltung gefällt mir sehr gut. Sie ist schlicht, aber schön. Der weiße Schnee, die Blutspuren darin, Titel und Cover, das alles bilden eine Einheit. Die weißen Buchstaben kann man erfühlen.

Ich kann an „Kaltes Weiss“ überhaupt nichts aussetzen. Simone Dark hat das Buch so ausnehmend nachvollziehbar geschrieben, sodass man hintereinander weglesen möchte. Ich fühlte mich gut unterhalten. Mir hat es sehr gut gefallen, obwohl es definitiv für mich kein Thriller ist. Das tat dann aber für mich auch nichts zur Sache!

Fazit:

Subtile, feinsinnige Beschreibung der Entwicklung eines Heranwachsenden in einer Umwelt, die ihm keine Beschränkungen auferlegt.