Rezension

Über die Nachwirkungen der Katastrophe von Fukushima

Heimkehr nach Fukushima - Adolf Muschg

Heimkehr nach Fukushima
von Adolf Muschg

~~Adolf Muschg – Heimkehr nach Fukushima

Japan scheint mit einem Fluch belegt zu sein, was atomare Katastrophen betrifft. Nach Hiroshima und Nagasaki, erlebt 2011 auch Fukushima seinen Super-Gau. Genau hier setzt Adolf Muschg mit seinem Roman an, allerdings weniger bei der Katastrophe selbst, sondern vielmehr bei den Folgen, die die Bevölkerung zu tragen hat, lange nachdem die Weltöffentlichkeit schon wieder wegsieht.

Der Bürgermeister eines japanischen Dorfes, nahe des Unglücksmeilers von Fukushima gelegen und damit in der Sperrzone, möchte den Ort wieder mit Leben füllen. Die ehemaligen Bewohner sollen zurückkehren, obwohl die Böden verseucht sind. Er lädt den Architekten Paul Neuhaus ein, dieser soll als Botschafter und Pionier fungieren. Gleichzeitig bahnt sich eine Liebelei mit der Nichte des Bürgermeisters an. Paul kommt als Besucher, als Außenstehender und nimmt als solcher den Leser an die Hand. Er informiert sich, er interviewt Menschen.

Dieser, sowohl sprachlich als auch inhaltlich anspruchsvolle Roman hat es auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis geschafft. Tatsächlich fand ich ihn nicht leicht zu lesen, was zum Teil an der nicht gekennzeichneten wörtlichen Rede liegt. Auch setzt der Autor einiges an vertiefter Allgemeinbildung voraus. Etliche Abschweifungen in unterschiedliche kulturelle Bereiche machen die Lektüre nicht einfacher.
Das ganze Buch durchziehen immer wieder Bezüge, auch Zitate, zu Adalbert Stifter. Damit könnte ich persönlich eher weniger anfangen. Ich habe auch den Zusammenhang nicht ganz nachvollziehen können. Vielmehr empfand ich diese Zitatstellen als den Lesefluss störend, irgendwann hab ich sie dann einfach überlesen.

"Erinnern und Vergessen gehören zusammen." Seite 80

Die Katastrophe von Fukushima ist allgegenwärtig, meist jedoch aus einem ganz speziellen japanischen Blickwinkel. Ich war eigentlich positiv überrascht,  wie detailliert auf die Katastrophe und ihre Folgen eingegangen wird. Der Autor schafft ein umfassendes und einfühlsames Bild der ehemaligen Bewohner der Sperrzone, wobei auch die japanische Kultur und Mentalität nicht zu kurz kommt.

Letztendlich geht es um die Gegenüberstellung und Abwägung von Sehnsucht nach der Heimat, dem Wunsch in das verstrahlte Gebiet zurückzukehren, und auf der anderen Seite die Gefahren für die Gesundheit.

Den Protagonisten Paul muss man nicht verstehen oder gar mögen. Er ist nur sehr holzschnittartig dargestellt, um ihn geht es nicht. Er ist nur der Mittler, der dem Leser Zugang zur Bevölkerung dieses kleinen japanischen Ortes macht. So mein Empfinden. Auch die Liebesgeschichte passiert ihm eher und wirkt teilweise etwas skurril. Das mag an den Beschreibungen liegen.

Dieser Roman hat ein spezielles Thema und er ist insgesamt besonders. Sicherlich wird er mir länger im Gedächtnis bleiben. Die Nominierung auf der Longlist halte ich für gerechtfertigt, allerdings finde ich es auch in Ordnung, dass er es nicht auf die Shortlist geschafft hat. Auf jeden Fall ein interessantes Buch, mit ganz neuen Gedankenansätzen.