Rezension

Ungenutztes Potenzial

Stranwyne Castle - Das trügerische Flüstern des Windes - Sharon Cameron

Stranwyne Castle - Das trügerische Flüstern des Windes
von Sharon Cameron

~~Katherine Tulman, eine 17-jährige Waise, lebt seit dem Tod ihrer Eltern als Buchhalterin im Haus ihrer geldgierigen Tante Alice. Als sie von ihr den Auftrag bekommt, das Anwesen ihres Onkels Tully zu besuchen, um ihn ins Irrenhaus einweisen zu lassen und damit das Erbe von Alices Sohn Robert zu retten, glaubt sie an eine Routineaufgabe, doch als sie auf Stranwyne Castle eintrifft, sieht sie sich schnell mit einer Bandbreite von Problemen konfrontiert: Das wenige Personal auf dem Anwesen versucht krampfhaft, jegliche Begegnung Katherines mit ihrem Onkel zu verhindern, von allen Seiten fühlt sich die junge Frau beobachtet und nachdem sie bereits in der ersten Nacht beinah den Verstand verliert, stellt sie fest, dass von Tullys Einweisung das Leben hunderter Menschen abhängt – in Wahrheit verschleudert ihr Onkel das Erbe ihres Cousins nämlich nicht, sondern hat es in die Erbauung eines Gaswerks investiert, das Menschen, die einst in Armenhäusern lebten, Arbeit und ein besseres Leben verschafft.

Das Cover des Buches ist wunderschön; es zeigt ein hübsches Mädchen in einem Gewand mit Rüschenbesatz, ist fast durchgehend in Violetttönen gehalten und mutet durch die gelbgoldenen Ornamente links oben und rechts unten historisch an.

Ebendieses Design als auch der Klappentext führen allerdings schnell zu dem Trugschluss, dass es sich hierbei um einen fantastisch angehauchten Historienroman handeln könnte – nach einigen Seiten bemerkt man jedoch, dass es sich um Steampunk handelt, was vor dem Lesebeginn etwas deutlicher hätte heraustreten können.

Der Schreibstil trumpft mit einigen wirklich schönen, bildhaften Beschreibungen auf, wirkt bisweilen aber leider ein wenig steif, weshalb ein schnelles Durchkommen beim Lesen fast unmöglich scheint. Außerdem zieht sich die Handlung stark in die Länge – viele Seiten lang geschieht einfach gar nichts, bis endlich wieder eine Kleinigkeit eingestreut wird, die einen daran erinnert, wie seltsam es eigentlich auf Stranwyne zugeht. Leider wird davon in der ersten Hälfte des Buches und noch darüber hinaus rein gar nichts aufgeklärt, es gibt keine Hinweise auf potenzielle Erklärungen, sodass man als Leser leider gar nicht groß mitfiebern kann, da man keine Informationen erhält, die einen „Miträtselprozess“ in Gang setzen, was mich sehr enttäuscht hat. Auch die Liebesbeziehung zwischen Katherine und Onkel Tullys Assistenten Lane, die einem im Klappentext versprochen wird, beginnt sich erst furchtbar spät und quälend langsam zu entwickeln, genau wie man das Gefühl bekommt, dass die meisten Charaktere sehr prototypisch aufgebaut sind und sich eigentlich kaum entwickeln – die Protagonistin glücklicherweise ausgeschlossen, die die Dorfbewohner trotz des Hasses, der ihr Anfangs entgegenschlägt, zu mögen beginnt und feststellt, dass sie das Leben all dieser Menschen nicht zerstören möchte, nur um ihrer Tante zu gefallen, die sie so oder so nicht leiden kann.

Was gut gelungen ist, ist jedoch die Gruselatmosphäre, die durch seltsame Geräusche, kaputte Mechanik-Puppen und Alpträume sowie Erinnerungslücken bei Katherine ausgelöst wird.

Insgesamt hat diese Geschichte meiner Meinung nach viel Potenzial, das von der Autorin leider nicht ausreichend genutzt wurde – für den Folgeband würde ich mir daher einer schnellere Entwicklung der Ereignisse und ein paar Hinweise wünschen, die den Spannungsbogen steiler verlaufen lassen