Rezension

Unschicklich!

Rückkehr nach Somerton Court - Leila Rasheed

Rückkehr nach Somerton Court
von Leila Rasheed

Bewertet mit 4 Sternen

Im Jahr 1912 kehrt die junge Lady Ada Averley nach einem mehrjährigen Aufenthalt mit Vater und Schwester zurück nach England. Ihr Leben in Indien hatte sie geliebt, nun taucht ein Problem nach dem anderen auf. Der Neffe ihres Vaters, der sich während dessen Abwesenheit um die Besitztümer kümmern sollte, hat die Familie an den Rand des finanziellen Ruins getrieben. Die junge Ada soll nun gut und standesgemäß heiraten, nur hat sie leider ganz andere Dinge im Sinn. Zum einen hegt sie nämlich – undenkbar für eine Frau – den Wunsch zu studieren und zum anderen hängt ihr Herz an einem vollkommen unstandesgemäßen jungen Inder. Gibt es für sie eine Chance, ihre Träume zu verwirklichen?

Das Jahr 1912. Ganz England trägt ein Korsett. Nicht nur die Damen, die sich aus modischen Gründen hineinzwängen, sondern auch die, bei denen ein solches Kleidungsstück nicht zur Garderobe gehört. Und ebenfalls viele Männer, denn jede und jeder wird in Zwänge, Ansprüche und Regeln gepresst, die ihm sein jeweiliger gesellschaftlicher Stand vorgibt. Unschicklich! Wie oft habe ich dieses Wort in diesem Buch gelesen.

Und was ist nicht alles unschicklich! Frauen, die Bücher lesen, die nach Bildung streben und sich für Politik interessieren. Damen, die sich nicht für Kleider und Bälle interessieren. Dienstmädchen, die Klavier spielen möchten. Herren, die sich in ein Dienstmädchen verlieben. Herren, die sich in einen anderen Mann verlieben…

Wie immer, wenn ich Geschichten aus dieser Zeit lese, bin ich gleichermaßen fassungslos und fasziniert. Welche Probleme kamen auf jeden Menschen in der damaligen Zeit zu, der sich aus diesem Korsett, in das ihn die Gesellschaft gezwängt hatte, befreien wollte! Und wie kann es Menschen geben, die ihren gesamten Lebensinhalt darin sehen, sich für Kleider und Bälle zu interessieren und gegen jeden zu intrigieren, der etwas anders ist als sie selbst!

Sowohl ganz vorne als auch ganz hinten im Buch befindet sich ein umfangreicher Stammbaum der Familie. Man sollte sich den zweiten Stammbaum aber wirklich erst nach dem Lesen anschauen, denn da gibt es einen Unterschied und man hat sonst einen fiesen Spoiler.

Ein sehr kurzweiliges Lesevergnügen. Ich habe das Buch in einem Rutsch an einem regnerischen Sonntag gelesen. Die Schicksale der unschicklichen Charaktere waren so interessant, dass ich unbedingt wissen wollte, wie es mit ihnen weitergeht. Leider ist am Ende vieles offen, denn das Buch stellt den ersten Band einer Reihe dar, deren nächster Band erst 2014 auf Englisch erscheint. Ich werde dann wohl weiterlesen müssen.

Vielen Dank liebe Beate für die Leihgabe!