Rezension

Untergegangene Traditionen

Mattanza -

Mattanza
von Germana Fabiano

Bewertet mit 5 Sternen

In erster Linie versteht man unter dem Begriff Mattanza eine Methode des traditionellen Fischfanges vor den Küsten Siziliens und Sardiniens. Welche Bedeutung diese Tradition aber für die Bewohner der Inseln und Küstendörfer darüber hinaus besitzt, beschreibt die Autorin Germana Fabiano in ihrem schmalen Buch sehr eindrücklich.

Nora wird als letzte Nachkommin des von allen geschätzten Rais 1960 auf der Insal Katria geboren. Von Anfang an ist ihre Rolle in der Familie und im Dorf festgelegt. Sie wird einmal ihren Großvater als Anführerin der Mattanza ablösen und damit das Schicksal aller Menschen auf der kleinen Mittelmeerinsel bestimmen.

Das klingt erst einmal pathetisch und etwas übernatürlich. Wie groß jedoch wirklich die Rolle des Fischfanges für alle im Dorf und auf der Insel früher einmal war und wie sehr alle von dieser Tradition abhingen, beschreibt die Autorin dicht gepackt auf gerade einmal 192 Seiten.

Wenn es sich anfangs noch wie ein idealer Sommerroman über das traditionsreiche Leben auf einer sonnigen Insel liest, verändert sich der Tenor von Kapitel zu Kapitel, wobei jedes Kapitel einer anderen Jahreszahl zugeordnet ist und man eine jahrzehntelange Entwicklung stark verdichtet miterlebt. Nach und nach treten immer ernstere Themen in den Vordergrund und man versteht so langsam die Existenzängste, die die in ihrer Tradition verankerten und gleichzeitig von ihrer Tradition abhängigen Menschen durchleben müssen.

"Mattanza" vermittelt zwischen den Generationen und weckt das Verständnis für Menschen, die von der Politik und den Medien übersehen und vergessen werden. Ein wirklich großartiges Buch, das ich jedem ans Herz legen möchte!