Rezension

Verbessert durch hohe Authentizität

Stay Here - New England School of Ballet -

Stay Here - New England School of Ballet
von Anna Savas

Bewertet mit 4 Sternen

Den ersten Band der Reihe von Anna Savas an der New England School of Ballet habe ich in einer Leserunde kennenlernen dürfen und da waren wir uns doch allgemein einig, dass es zu wenig Thematik Tanzschule und Tanzen waren. Dementsprechend war ich gespannt, was nun in Band 2 passiert und man muss sagen, Savas hat ein Muster. Sie schafft ein interessantes Setting, hält sich aber lieber außerhalb davon auf. Ich bin absolut für kreative Freiheiten und dass man als Autor und Autorin dahin die Gedanken leiten muss, wo sie selbst hinwollen und nicht wo sie hinsollen. Wenn man so eine Reihe aber eine Thematik mitgibt und auch die Cover in dieser Stilistik hält, die unweigerlich an das Ballett erinnert, dann ist das ein Spiel mit den Erwartungen, wo man nur verlieren kann.

Dennoch fand ich „Stay Here“ besser als den Auftakt, weil ich mich an den Themen und der Sensibilität der Umsetzung nicht gestört habe. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass es eine höchst authentische Geschichte war, die speziell Raynes Trauerprozess und ihre und Eastons Selbstzweifel sehr intensiv und nachvollziehbar in Szene gesetzt hat. Ich habe mich auf jeden Fall beiden Figuren sehr verbunden gefühlt und ich habe auch von Anfang an den Eindruck vermittelt bekommen, dass zwischen ihnen wirklich etwas Besonderes entsteht und die Liebe sehr intensiv ist. Dennoch war es schon sehr ironisch, dass eben in Band 1 die Kritik da war, dass es zu wenig Ballett war und jetzt war es sogar noch weniger, weil es eben nicht Raynes Traum ist und sie sich über die Schule nur ihrer Mutter nah fühlen wollte. Auch wenn die Thematik also wieder marginal da war, so ist Raynes Bezug zum Sport nachvollziehbar gewesen. Sie hat zeitlebens mit ihrem Vater die Liebe zur Musik geteilt und ihre Mutter aus ihrer Perspektive dabei ein wenig im Stich gelassen und will das nun nachholen, weil sie mehr Angst hat, sie zu vergessen. Aber eine Leidenschaft lässt sich eben nicht erzwingen. Deswegen fand ich es sinnbildlich, dass letztlich der Contemporary in Rayne so viel ausgelöst hat, weil es dort eben nicht um Perfektion und schön aussehen geht, sondern um Gefühle und diese frei zu vertanzen. Es war eine schöne Symbolik und die Idee mit dem Musikvideo war eine echt tolle Idee.

Die Musik als zweites Thema war natürlich so oder so nicht abwegig, denn ohne Musik kein Ballett, so einfach ist das. Dementsprechend hat Savas eine passende Verbindung gesucht und gefunden. Dennoch fiel mir wieder auf, dass ein wenig die Konsequenz in der Darstellung der Themen fehlte. Ich hätte die Choreographie zu dem Musikvideo gerne mit mehr Bildern angereicht gehabt, umgekehrt hätte ich mich auch nicht beschwert, wenn der Schreibprozess des Songs intensiver gewesen wäre. Das fehlt mir immer besonders auf, wenn ich eben merke, dass diese Prozesse die Figuren sehr gut einfangen würden. Zwar habe ich Rayne und Easton als Figuren wirklich gut verstanden, aber das wurde eben meist alles über die Gespräche zusammen abgefangen und gemeinsame Tätigkeiten wären eine schöne Ergänzung gewesen. Bei Easton und seiner Band sowie dann auch die Involvierung von Rayne, ich musste irgendwie an „Daisy Jones & The Six“ denken. Das hatte viele ähnliche Vibes und das ist als Kompliment gemerkt. Gerade die Dynamik der Jungs untereinander, das kam toll rüber, aber auch wie selbstverständlich Rayne dann mit ein paar Neckereien eingebunden wurde. Das war einfach ein sehr sympathischer Haufen.

Zwei Bände stehen in der Reihe nun noch aus und die große Frage ist wirklich, wird es wirklich noch eine Ballettreihe? Wird das Tanzen so in den Mittelpunkt gerückt, dass es dann auch einer meiner ersten Gedanken ist, wenn ich anschließend noch dran denke? Bei Lia könnte ich es mir auf jeden Fall wirklich gut vorstellen, da sie eine typische Primaballerina zu sein scheint, die auch meisten mit dem Erwartungsdruck zu kämpfen hat. In diesem Band bekommen wir aber mehr Vorarbeit in Richtung Skye geleistet und ich bin schon sehr gespannt. Zwar kann man bei ihr erahnen, dass die Thematik auch wegführen könnte, aber es ist ersichtlich, dass es bei ihr noch viel zu entdecken gibt. Ich bleibe also an der Reihe dran, aber meine Erwartungen sind inzwischen ganz andere als anfangs.

Fazit: „Stay Here“ spielt ein bisschen alibimäßig an der New England School of Ballet, aber eigentlich ist das vorherrschende Thema diesmal Musik und Trauer sowie Selbstzweifel. Ich habe mich inhaltlich absolut abgeholt gefühlt und eine sehr authentische Darstellung mit hohem Wiederkennungsfaktor bekommen, aber Ballett war wieder nicht viel. Gut, dass Anna Savas eine gute Erzählerin ist, die diesmal mit ihrer Geschichte auch alles besser auffangen kann.