Rezension

Vertrauen ins soziale Netz

Alles ganz Isi - Alva Gehrmann

Alles ganz Isi
von Alva Gehrmann

Bewertet mit 5 Sternen

Seit Jules Vernes "Reise zum Mittelpunkt der Erde" gilt Island als Eingang zur Unterwelt. Bankenkrise, Pferde, Popmusik; mancher mag sich beim Gedanken an Island fragen, in wen Isländer sich verlieben werden, wenn sich die rund 300 000 Einwohner ohnehin schon kennen. Wie es sich fern von direkten Nachbarländern auf einer dünn besiedelten Insel lebt, auf der es selten über 20°C warm wird, recherchierte die Journalstin Alva Gehrmann. Sie nimmt uns "in Socken" mit an den Küchentisch isländischer Künstler und Musiker, als wären wir alle alte Bekannte. Wer in Island überleben will, muss willensstark und kreativ sein. Wenn täglich ein Vulkan ausbrechen kann, bestimmt die Natur, was geht und was nicht. Die Insulaner nehmen die Dinge gelassen hin, wie sie kommen. Uns Deutsche können spontane Verabredungen isländischer Art ziemlich nervös machen, die erst nach dem Studium der Wettervorhersage getroffen werden. Am Beispiel von Kunst und Musik führt die Autorin humorvoll in die Lebensart der Inselbewohner ein. Kaum ein Isländer, der nicht in mehreren Berufen arbeitet, kaum ein Künstler, der beansprucht, mit Kunst seinen Lebensunterhalt zu vedienen. Weil nahezu jeder Isländer schon einmal ein Buch geschrieben oder in einer Band gespielt hat und auch genügend andere kennt, die das tun, stellt hier niemand Kunst auf einem Sockel. Im Vordergrund steht die Leidenschaft und der Wille, mit Kunst und Musik anderen so viel Spaß wie möglich zu bringen. Alle Begegnungen zeugen von tief in den Seelen der Isländer verankertem Optimismus und ihrem Vertrauen auf die Unterstützung durch die Familie.

Mit isländisch geprägter Freude an originellen Geschichten berichtet die Autorin von der ehemaligen Staatschefin, die täglich ungestört ihre Bahnen im Schwimmbad zog, von Nachrufen auf verstorbene Freunde als eigenständige Literaturgattung und vom nationalen Stolz auf das klare, saubere Trinkwasser, das man direkt aus dem Bach trinken kann. Unsere Vorstellung von der isländischen Kriminalitätsrate wird am Rande korrigiert; denn Morde passieren in Island hauptsächlich im Krimi. Gehrmann hat das Land, in dem Töchter nach Vulkanen genannt werden, u. a. nach der Wirtschaftskrise und nach dem aktuellen Vulkanausbruch besucht. Ihr Buch vereint auf dem Cover mit Papgeientaucher, Vulkan und Blauer Lagune Eckpunkte isländischenn Alltags. Gedruckt in frischem Layout und zwei Farben und ergänzt um ein paar charakteristische Literatur- und Filmtipps, ist so eine kritische, humorvolle Einführung ins moderne Island entstanden. Falls Sie sich schwer entscheiden können, ob sie erst einen isländischen Autor lesen oder erst eine Reise planen wollen, gönnen Sie sich auf jeden Fall vorher dieses höchst unterhaltsame Kompendium isländischer Lebenskunst.