Rezension

Verwirrend, total schräg, aber absolut gut !

Vom Finden der Liebe und anderen Dingen - David Lampson

Vom Finden der Liebe und anderen Dingen
von David Lampson

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Ich dachte, wenn ich zu ihr hinging und sie mitten auf die Stirn küsste, würde das vielleicht ihr ganzes Gesicht glätten, so wie man ein Handtuch ausschüttelt. Aber während ich noch überlegte, ob ich es denn nun tun sollte, schlief ich ein." Seite 58

Der 18-jährige Joe lebt in seiner eigenen kleinen Welt, die jedoch tief erschüttert wird, als sein Zwillingsbruder Alvin spurlos verschwindet und dessen Freundin Julia bei ihm auftaucht. Julia bittet ihn um Hilfe und so macht sich Joe auf und stürzt in das größte Abenteuer seines Lebens.

Auf dieser einzigartigen Reise findet der zurückgebliebene junge Mann nicht nur seine große Liebe, sondern er findet auch heraus was tatsächlich mit seinem Bruder passiert ist und er lernt Dinge von denen er nicht einmal geträumt hätte....

Meinung:

Wer hier, wie ich, mit einer süßen jugendlichen Lovestory rechnet, der tritt leider in die sprichwörtliche "Klappentextfalle", denn an diesem Buch ist nichts normal und auch "süß" trifft es eher weniger !

David Lampson schreibt mit einer erfrischenden Nüchternheit und erschafft ein geniales, auf Papier gebrachtes Independent-Roadmovie. Kreativ, wahnwitzig, komisch und völlig schräg.
Er zaubert surreale Szenen und schickt den Leser auf eine verrückte Reise mit unvorhersehbaren Wendungen. Die Geschichte hält den Leser in Atem, man weiß nie was als Nächstes passiert und gerade das ist unglaublich aufregend und zwingt dich schier zum Weiterlesen.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Joe erzählt. Und ach, ich mag ihn ! Er ist der wohl einfachste, naivste Hauptprotagonist, den ich in letzter Zeit kennengelernt habe. Er ist glücklich mit seinem Leben, nimmt jedes Ereignis so wie es kommt und legt selbst in den schlimmsten Momenten noch eine stoische Gelassenheit an den Tag. Vieles hat er in seinem Leben einfach nicht gelernt und deshalb vermisst er es auch nicht. Er ist zufrieden damit, sich ausschließlich von Cheeseburgern zu ernähren und jeden Tag sein Geld zu verpokern. Doch als Julia in sein Leben tritt, da ändert sich für ihn alles.

Julia ging irgendwie komplett an mir vorbei. Ich finde sie recht blass und obwohl sie ein wichtiger Teil der Geschichte ist, steht sie für mich doch eher im Hintergrund.
Ähnlich erging es mir mit Alvin, dem Auslöser für diese Wahnsinns-Reise, der immer wieder als Joe's Hirngespinst erscheint und von Vision zu Vision jünger wird. Obwohl er so wichtig ist, kriege ich ihn nicht wirklich zu fassen. Und je mehr ich vom Leben der Brüder erfahre, desto weniger kann ich ihn leiden !!!

Anders ist das bei Joe's älterem Bruder Marcus. Zunächst empfand ich ihn als sehr unangenehmen Charakter. Auf sich selbst fixiert, seinem Bruder gegenüber grob oder gar gleichgültig. Doch wenn man zwischen den Zeilen liest, dann versteht man sein Verhalten, seinen Hass auf Alvin und warum er immer wieder versucht Joe einzubläuen sich besser von Alvin fernzuhalten. Er versteckt es gut, doch wenn man genau hinsieht, dann erkennt man, das da hinter der rüden Fassade ein sehr verletzter allein gelassener Marcus steckt, der sich um Joe sorgt und nur das Beste für ihn will.

Auch wenn nicht alle Charaktere für mich gleich greifbar sind, so sind sie doch alle mit viel Liebe erschaffen, zwar nicht wirklich authentisch, aber trotzdem sehr überzeugend.

Das Ende ist eine bunte Mischung aus verschiedensten Emotionen und lässt eine Menge Platz zum Weiterdenken und Spekulieren. Das Buch war, aufgrund seiner Andersartigkeit, ein absolutes Lesevergnügen.

Fazit:

Eine Geschichte mit jeder Menge künstlerischer Eigenheiten. Verwirrend, schräg, aber absolut gut !