Rezension

Vielschichtiger und feinfühlig geschilderter Roman mit starken Figuren und eine Hommage an Bücher und Bibliotheken, die Menschen verbinden und lebensrettend sein können.

Eine Bibliothek in Paris -

Eine Bibliothek in Paris
von Janet Skeslien Charles

Bewertet mit 5 Sternen

Die zwölfjährige Lily lebt in den 1980er-Jahren in der Kleinstadt Froid in Montana. Sie hat ein neugieriges Wesen und interessiert sich deshalb sehr für ihre Nachbarin Odile, eine lebensältere, elegante Französin, die verwitwet ist und zurückgezogen lebt. Als Lilys Mutter stirbt, fühlt sie sich noch einsamer und versucht über Französischstunden mehr über die geheimnisvolle Odile herauszufinden. Die beiden freunden sich an und Odile erzählt ihr aus ihrem Leben in Frankreich, als sie zur Zeit der deutschen Besatzung in einer amerikanischen Bibliothek in Paris arbeitete. 

Odile liebte schon immer Bücher, weshalb es für sie ein Traum ist, in einer Welt voller Bücher, einer Bibliothek, zu arbeiten. Entgegen der Vorstellungen ihrer Eltern bewirbt sie sich 1939 in der American Library und wird dort aufgrund ihrer Leidenschaft für Bücher eingestellt. Als der Krieg ausbricht, meldet sich ihr Zwillingsbruder Rémy freiwillig, um gegen die Deutschen zu kämpfen. Odile kann dies nicht nachvollziehen und sorgt sich um ihren Bruder. Als Paris von den Deutschen besetzt ist, leistet sie jedoch wie von selbst Widerstand, indem sie Bücher aus der Bibliothek an Personen ausliefert, die diese nicht mehr betreten dürfen. Zudem verstecken sie und die anderen Mitarbeiter Bücher, um sie vor der Vernichtung zu retten und liefern Bücher an Die Front, um den Soldaten Mut zu machen und ein Zeichen der Solidarität zu senden. Ihre Mission ist nicht ungefährlich und schon bald werden die Reihen lichter. Lieb gewonnene Subskribenten werden verhaftet und in Internierungslager verbracht und den angestellten Amerikanern empfohlen, Europa zu verlassen, da mit einem Kriegseintritt Amerikas und folglich Problemen für feindliche Ausländer zu rechnen ist. 

"Eine Bibliothek in Paris" ist ein Roman, der auf zwei Zeitebenen handelt. Die Gegenwart, von 1983 bis 1988, erzählt von einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen den Generationen, während die Geschichte in der Vergangenheit von 1939 bis 1944 von der Kraft der Bücher und von einer Bibliothek als Zufluchtsort in einer schweren, kultur- und menschenfeindlichen Zeit erzählt. 
Die Geschichte in der Gegenwart macht neugierig darauf, was die Französin Odile in der Vergangenheit erlebt haben mag und weshalb sie gegenwärtig so zurückgezogen in Montana lebt. Über die Jahre hinweg entwickelte sich eine Freundschaft mit der jugendlichen Lily, die auf der Suche nach Halt und Geborgenheit und fasziniert von der älteren Dame ist. Durch die parallele Handlung in der Vergangenheit, auf der der Schwerpunkt des Buches liegt, erfährt man mehr über Odile und ihr Leben in Paris während des Zweiten Weltkrieges und was letztlich dazu geführt hat, dass sie nach Amerika emigrierte. 

Der Schreibstil ist bildhaft und liebevoll detailliert. Die Faszination Odiles für Bücher und ein selbstbestimmtes, freies Leben ist nachvollziehbar geschildert. Die Arbeit und der Alltag in der alles andere als verstaubten Bibliothek ist lebendig und authentisch beschrieben. Bezeichnend ist zudem, dass ein Teil der Menschen in der American Library, denen Odile begegnet, historisch belegte Persönlichkeiten sind, die die Macht der Bücher genutzt haben, um Widerstand gegen die deutsche Besatzung zu leisten. Es ist begeisternd zu lesen, was Bücher erreichen können und was diese Menschen geleistet und in Kauf genommen haben, selbst in den Fokus der Gestapo zu rücken. Die Verbindung von realen Ereignissen und realen Personen mit einer fiktiven Handlung ist gelungen und lebensecht warmherzig geschildert. Es fällt leicht, sich sowohl in Lily, aber vor allem auch in Odile als junge Frau hineinzuversetzen und ihre Wertvorstellungen zu teilen. 
Dieser bildhafte, historische Roman wird zudem durch eine Liebesgeschichte ergänzt, die durch die Belastungen der Protagonisten durch Naziterror und Bespitzelung nie in den Vordergrund rückt und zudem wunderschön zartfühlend erzählt wird. Er handelt von den Gräueltaten in düsteren Tagen, von Eifersucht und Denunziantentum und den Fehlern, die Menschen in schwierigen Zeiten begehen und damit selbst Freundschaften zerstören.  
Es ist ein vielschichtiger und feinfühlig geschilderter Roman mit starken Figuren und eine Hommage an Bücher und Bibliotheken, die Menschen verbinden und lebensrettend sein können.