Rezension

Vom Krieg der Daheimgebliebenen

Unter der Drachenwand - Arno Geiger

Unter der Drachenwand
von Arno Geiger

Bewertet mit 5 Sternen

Wie lebt es sich so im Krieg? Es ist Zweiter Weltkrieg in Österreich und selbst wenn Tausende sterben, an der Front, aber auch zuhause, unterwegs, in der Bahn, beim Konzert, überall kann es passieren, leben doch viele weiter und müssen sich mit den Gegebenheiten arrangieren. Was das für ein Leben ist, bekommt man hier aus unterschiedlichen Perspektiven eindrucksvoll vor Augen. 

Der rote Faden ist die Geschichte von Veit Kolbe, einem jungen Soldaten, der nach fünf Jahren an der Front erschöpft, verwundet und kriegsmüde ist. Die Durchhalteparolen seiner Eltern, für Volk und Vaterland, kann er nicht mehr ertragen und sucht deshalb Erholung in Mondsee, einem verschlafenen Nest direkt unter der Drachenwand. Er setzt alles daran, um nicht mehr an die Front zu müssen. Der Krieg ist fast vorbei, eigentlich schon verloren. Da sind doch alle Anstrengungen umsonst.

In Mondsee passiert nicht viel, aber dorthin werden junge Stadtmädchen verschickt. So einige Menschen suchen in dem verschlafenen Ort Sicherheit vor dem Krieg. 
Aus Briefen erfährt man dann, wie es anderswo zugeht. Oskar und Walli stellen fest, dass Juden nicht mehr in Wien leben können. In Darmstadt ist alles zerbombt, Margots Mutter schreibt verzweifelt nach Mondsee. Und Kurt, dessen Liebste verschickt wurde, hätte so gerne seinen Schulabschluss in der Tasche, bevor er kämpfen muss. 

Arno Geiger schreibt wunderbar, unglaublich, wie er sich in jede dieser Figuren einfühlt. Sie sind alle authentisch, sprechen eine ganz eigene Sprache und haben ganz eigene Probleme. 
Dieses Buch erzählt vom Krieg der Daheimgebliebenen, der kaum weniger grausam ist, als wenn man in die Schlacht zieht. Es ist ein Buch voller Leid, das trotzdem ein Genuss ist durch den wunderbar eigenen Erzählstil des Autors, feinsinnig, erlesen, erstaunlich. 
Es ist kein Spaß, dieses Buch zu lesen, aber ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst. 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 25. November 2018 um 14:09

! Schönes Fazit. Würden wir doch das Wort "Krieg" nicht kennen müssen!