Rezension

Wahrheit ist Anssichtssache, dieses Buch ist Geschmackssache

Nach allem, was passiert ist - Sophie Coulombeau

Nach allem, was passiert ist
von Sophie Coulombeau

Ein handwerklich sehr gut gemachter und intelligenter Debütroman, der mich jedoch leider nicht vollends überzeugen konnte.

Inhalt

Nick, Rachel, Lizzie und Day sind Endzwanziger, die gut miteinander befreundet waren und sich gemeinsam an ihre Zeit als Teenager zurückerinnern. Denn als sie vierzehn Jahre alt waren, beschlossen sie, gemeinsam ihre Unschuld zu verlieren. Und das hat damals große Wellen geschlagen.

Meine ausführlichere Meinung

Erzählt wird dieses Buch abwechselnd aus der jeweiligen Perspektive der verschiedenen Figuren. Jedoch beschränkt sich die Autorin nicht auf die vier Protagonisten alleine, sondern es kommen noch sieben weitere Figuren zum Zuge, die eine mehr oder weniger wichtige Rolle gespielt haben.

Dieser Erzählweise ist es zu verdanken, dass man verschiedene Wahrheiten präsentiert bekommt: jeder verschweigt etwas oder stellt es positiver da, als es war. Dies ist auch eine der großen Stärken des Buches: es wird keine einzige, verbindliche Wahrheit gezeigt, sondern man muss sich selbst alles zusammenpuzzeln und sich letztendlich auch eine eigene Meinung bilden.

Allerdings ist es auch diese Erzählweise, die für mich das Buch mit der Zeit immer uninteressanter gemacht hat. Es liegt sicher nicht daran, wie Rachel, Nick, Lizzie und Day präsentiert werden. (Obwohl Nick für meinen Geschmack zu kurz  kommt.) Nein, hier muss ich die Autorin loben: denn sie hat wirklich sehr gut geschildert, wie die vier damals als Teenies alles erlebt haben und hat deren Beweggründe und Motive glaubwürdig gestaltet.

Es liegt vielmehr daran, dass die meisten Figuren sprachlich identisch oder zumindest sehr ähnlich klangen. Hier kann ich leider nicht sagen, ob dies im Original auch so ist oder ob es erst durch die Übersetzung ins Deutsche geschehen ist. Es hat auf jeden Fall mein Lesevergnügen getrübt und zumindest zwei dieser Figuren waren für meinen Geschmack nicht notwendig gewesen. Durch die Vielzahl der Erzähler sowie die teils schnellen Wechsel in der Erzählperspektive und vielen Wiederholungen habe ich mich manchmal erschlagen gefühlt.

Zudem schildern die Figuren alles bereitwillig einem unbekannten Interviewer oder Ermittler, weshalb man als Leser sehr oft direkt angesprochen wird. Das war für mich ebenfalls störend bzw. habe ich mich ständig gefragt, wer das Ganze jetzt noch einmal neu untersucht und warum? Und natürlich, warum alle Figuren alles offenlegen? Für die Geschichte selbst ist es nicht relevant, natürlich. Aber irgendwie stört es mich doch, dass da eine Vielzahl von Leuten eine Lebensbeichte ablegen, ohne dass eine konkrete Motivation für mich erkennbar ist.

Überhaupt ist die ganze Geschichte auch stark von religiösen Fragen für mich geprägt: Schuld, Moral, Sünde und ähnliches wird oft in diesem Zusammenhang behandelt.

Letztendlich ist das eigentliche Ereignis auch sehr kontrovers und skandalträchtig. Für mich durchaus im Bereich des Möglichen und realistisch; es erklärt auch, warum der Vorfall damals so groß in den Medien breit getreten wurde.

Bei den Charakteren selbst bin ich zwiegespalten: Day und Rachel sind für mich die interessantesten Figuren, viele andere bleiben eher schemenhaft und für mich profillos. Auch die Charakterentwicklungen (bzw. nichtentwicklungen) können mich nur teilweise überzeugen.

Fazit

Ein Buch, das mich anfangs gefesselt hatte, aber dann für mich leider nicht so blieb. Handwerklich sehr gut gemacht, keine Zweifel. Aber der Funke ist zu mir leider nicht übergesprungen. Mir fehlt das gewisse Etwas.