Warum die Toten hoch fliegen
Bewertet mit 4 Sternen
Nach den Bänden über Kindheit, Jugendzeit mit besonderem Augenmerk auf ein Jahr in Amerika und Schauspielschule liegt nun der an- und abschließende Teil von und über Meyerhoffs erste Berufs- und Liebesjahre vor.
Das Leben eines Jungschauspielers ist kein Zuckerschlecken, weder als Anfänger im Theaterensemble noch als Neuling in Sachen Liebe. Ganz schlimm wird’s, wenn man nicht mit sich selbst einig wird: Ist dies tatsächlich der Beruf, den ich mir gewünscht, für den ich gearbeitet habe, oder will ich vielleicht etwas völlig anderes, und wenn ja, was? Liebe ich Hanna in Bielefeld oder Franka in Dortmund, oder ist es möglich, dass ich unfähig zur Liebe bin?
Es ist nicht nur eine logistische Meisterleistung, seine beiden Leben unter einen Hut zu bringen, sondern auch eine ständige Selbstkontrolle. Zwischen seinen beiden Lebensgefährtinnen und den Theaterproben und –aufführungen werden Bäckerin Ilse und ihre Puddingbrezeln sein Refugium.
Meyerhoffs Sprachstil, seine flapsigen Sätze und die selbstironischen Äußerungen machen dem Leser, der sich daran schon dreimal erfreut hat, auch beim vierten Mal Spaß. Trotzdem schrammt das Buch nur haarscharf an dem vorbei, was Promi-Autobiographien mitunter unerträglich macht: Das Ich als Zentrum eines Beifalls, den es sich selbst spendet. Meyerhoff scheint diese Klippe zu kennen und setzt Übertreibung und Spöttelei ein, um sie zu umschiffen. Dass er Wirklichkeit und Fiktion verwebt, weiß man aus den vorherigen Bänden.
Meine Begeisterung über diesen Band hielt sich also in Grenzen. Bis zur letzten Szene des letzten Kapitels, als er seine Toten alle plötzlich wiedersieht. Bisher prägte Verdrängung seine Trauer, und er schleppte das Andenken an Bruder, Vater und Großeltern durch sein Leben. Jetzt weiß er, dass er die Toten weggeschoben hat statt sie loszulassen. Er lässt los, und jetzt fliegen alle Toten hoch.
Diese Schluss-Szene ist schlichtweg großartig, so einfach, so klar, so ruhig.
Der Schluss-Satz greift den Titel der Reihe auf. Nun weiß man den ungewöhnlichen Satz anzusiedeln.
Kommentare
Zissi kommentierte am 02. Dezember 2017 um 08:55
Gänsehaut von deiner Rezension. Gut geschrieben. =) Werde ihn mir mal wieder vornehmen.
Vielen Dank und ein schönes Wochenende,
Zissi
Violetta kommentierte am 15. Dezember 2017 um 21:36
Vielen Dank. Meyerhoffs Reihe lohnt sich.
Wegen der Chronologie am besten mit Teil 1 "Amerika" anfangen.
luettawolf kommentierte am 16. August 2023 um 06:34
Völlig normal? Na klar. slope game