"We are all migrants through time" (Exit West, Mohsin Hamid, S. 209)
Bewertet mit 4 Sternen
Im Mittelpunkt der Story stehen Saeed und Nadia, die in einem von politischen Unruhen und Anschlägen geprägten (ungenannten) Land eine Liebesbeziehung beginnen. Als es ihnen zu unsicher wird, flüchten sie durch eine 'Tür' in die westliche Welt. Erst auf eine griechische Insel, dann durch die nächste Tür nach London und später wieder weiter. Sie schlafen in einem Camp, einem besetzten Haus, bauen später eine neue Siedlung mit auf. Sie erleben Auseinandersetzungen mit anderen Flüchtlingen und die Entfremdung voneinander. Unterbrochen wird die Geschichte von Saeed und Nadia von zusätzlichen Szenen, in denen andere Personen durch Türen gehen und wir erfahren, wen oder was sie zurücklassen bzw. neu finden.
Dass die 'logistische' Problematik, die tatsächliche Flucht, in Moshin Hamids Werk komplett ausgeklammert wird, macht die Geschichte vergleichsweise unaufgeregt, still, verleiht ihr Tiefgang und Poesie. Zwar erfährt man auch von Todesfällen im nahen Umfeld von Saeed und Nadia, doch das wird niemals spektakulär oder ausschweifend beschrieben, vielmehr geschieht es in einem Nebensatz und trifft gerade daher unvermittelt ins Herz. Durch den Fokus auf die Orientierungssuche NACHDEM man in einem neuen Land angekommen ist, eröffnet uns 'Exit West' neue Anknüpfungspunkte für die Auseinandersetzung mit der Thematik Integration. Auch die Beschreibung der Zustände in Saeeds und Nadias Heimat, bevor sie sich zur Flucht entschließen, waren realistisch und erschienen mir auch 'hier' (im West - en) denkbar, liefern zumindest neue Denkansätze.
Stilistisch kennzeichnend für Hamids Schreibstil ist der äußerst spärliche Gebrauch wörtlicher Rede und ellenlange Kettensätze, die jedoch nicht verschachtelt wirken, sondern relativ gradlinig erzählen. Wie das bereits oben erwähnte Zitat finden poetische 'Wahrheiten' über das Thema Flucht immer wieder Erwähnung.
"[...] for when we migrate, we murder from our lives those we leave behind." (p. 94)
Der Schreibstil ist klar und man kann ihn leicht lesen. Obwohl hauptsächlich Emotionen beschrieben werden, kommt einem der Text an sich emotionslos vor und als Leser hat man das Gefühl, dass einem keinerlei Gefühle 'aufgedrückt' werden, sondern diese bei jedem Leser individuell enstehen dürfen, je nachdem, welche Situation einem die meisten Assoziationen liefert. Das unterstreicht die Universalität Hamids Roman, lässt jedoch eine Frage unbeantwortet: Gibt es eine moralische Botschaft, die vermittelt werden soll? Einen Ratschlag, eine Empfehlung? Vergleichbares habe ich leider nicht entdeckt, so bewegend und wahr der Roman auch ist. Das war schlussendlich ein bisschen deprimierend, wenn auch nur zu verständlich.
Kommentare
wandagreen kommentierte am 13. März 2018 um 23:48
Die Botschaft m.E. war: es ist nicht aufzuhalten! Die Türen kann man nicht mehr schließen.