Rezension

Weniger ein abenteuerlicher Roman über eine Suche nach einem faszinierenden Phänomen, mehr ein Ehedrama und ein Buch über die Emanzipation einer verwöhnten Frau, das ungeahnt Spannung entwickelt.

Die Frau am See - Sara Gruen

Die Frau am See
von Sara Gruen

Bewertet mit 3.5 Sternen

Noch während des Zweiten Weltkrieges reisen das Ehepaar Maddie und Ellis Hyde im Januar 1945 zusammen mit Ellis' bestem Freund Hank Boyd nach Schottland, um die Existenz von Nessie zu beweisen. Ellis und Hank sind krankheitsbedingt als kriegsuntauglich ausgemustert worden und insbesondere Ellis leidet darunter, argwöhnisch als Feigling betrachtet zu werden.
In Schottland angekommen, benehmen sich Ellis und Hank in dem kleinen Gasthof, in dem sie sich einquartiert haben. überheblich und arrogant und sind bereits tagsüber betrunken. Maddie begleitet die beiden zu Beginn noch auf ihre Exkursionen zum Loch, ist aber bald ernüchtert über die kopflose Suche und peinlich berührt vom Verhalten ihres Ehemannes, der auch sie alkoholisiert abwertend behandelt.
Maddie langweilt sich in dem Gasthof, kann aber aufgrund des anhaltenden Kriegs nicht so einfach wieder zurück nach Amerika und versucht sich deshalb - sehr zum Erstaunen des Wirtes Angus - nützlich zu machen und beim Kochen oder Reinigen der Zimmer zu helfen.
Je länger und erfolgloser die Suche nach dem Ungeheuer Nessie andauert, desto schäbiger und unerträglicher wird das Verhalten Ellis', weshalb Maddie beginnt, ihre Ehe gänzlich in Frage zu stellen und sich immer mehr von dem geheimnisvollen Angus angezogen zu fühlen.
Der Roman ist aus der Perspektive von Maddie geschrieben, so dass man sich sehr gut in ihre Situation hineinversetzen kann. Schon als Kind war sie eine Gefangene ihrer Mutter, die sie vereinnahmt hat, in der Ehe ist sie abhängig von Ellis und wird von seiner Familie nicht akzeptiert, da ihr der Ruf ihrer Mutter anlastet, und aus den schottischen Highlands kommt sie nun auch nicht zurück in die Heimat, wo sie ohnehin niemand erwartet.
Sehr eindringlich ist dargestellt, wie abstoßend sich Ellis und Hank, die wie Maddie Luxus, Glanz und Glamour gewohnt sind, gegenüber den Schotten benehmen. Den Krieg und die daraus resultierenden Rationen blenden die beiden aus. Maddie passt sich dagegen an, macht sich selbst die Hände schmutzig und freundet sich sogar mit den Angestellten des Gasthofs an. Sie wird selbstbewusster und distanziert sich folglich immer weiter von ihrem Ehemann, dem sie kein Vertrauen mehr schenken kann. Er hat nicht nur ein Alkoholproblem, sondern verbirgt auch weitere Unzulänglichkeiten und verstrickt sich in dreisten Lügen.
Die Veränderung Maddies ist genauso realistisch dargestellt wie die mystische Atmosphäre in Schottland, in der der Aberglaube der Menschen noch eine große Rolle spielt. Auch dass der Krieg nur am Rande erwähnt wird, passt zu dem abgelegenen Dorf in den schottischen Highlands, wo sich die Menschen noch aus eigenem Antrieb versorgen können.
Die Suche nach Nessie gerät im Vergleich zu dem widerlichen und dreisten Verhalten Ellis, durch das sich Maddie von ihm abwendet, zur Nebensache. Diesbezüglich hatte ich mir den Roman abenteuerlicher und spannender vorgestellt. Auch empfand ich die Charaktere als zu stereotyp, Gut und Böse als sehr plakativ dargestellt.
Die Geschichte handelt weniger von der Suche nach einem spannenden Phänomen sondern mehr von einem Ehedrama und der Emanzipation einer zunächst verwöhnten, kränkelnden Frau, die eine enorme Wandlung zum Positiven vollzieht. Und schließlich entwickelt der Roman durch den Kampf Maddies um Freiheit und die Entlarvung ihres Ehemannes ungeahnte Spannung.