Rezension

Wer war Faust?

Die Schwarzkünstlerin - Roman Rausch

Die Schwarzkünstlerin
von Roman Rausch

Bewertet mit 5 Sternen

„...Das Zauberpulver zündete, zischte, spuckte Rauch und gleißende Flammen, während ich mich auf den Karren mühte und sich die braven Bürger in Sicherheit brachten. Was ein wenig Alchemie alles bewirken konnte, erstaunte mich immer wieder...“

 

Wir schreiben das Jahr 1500. Margarete lebt in Speyer in einem Kloster für ungehörige Adelstöchter. Ihr wertvollster Besitz ist eine Sternkarte, die sie gut versteckt. Margarete ist süchtig nach Wissen, doch dafür haben weder die Äbtissin noch Trithemus, ihr Beichtvater, der selbst wissenschaftlich arbeitet, Verständnis. Sie lernt es, den Schein zu wahren und plant heimlich ihre Flucht.

Der Autor hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Darin zeigt er, dass Margarete nicht das naive Mädchen war, dass sich Faust hingegeben hat. Der Autor kreiert eine selbstbewusste Margarete, die weiß, was sie will. An einer Stelle hinterfragt sie sich selbst

 

„...Wieso musste ich stets nach dem Wie und dem Warum fragen? Wieso gab ich mich nicht unwidersprochen mit dem zufrieden, was mir vorgesetzt wurde?...“

 

Nach ihrer Flucht gibt sich Margarete in Heidelberg als junger Mann aus und tritt in die Universität ein. Sie lernt Dr. Georg Helmstetter kennen. Mit ihm zieht sie als Dr. Faust durch das Land. Sie ahnt nicht, dass diese Zusammenarbeit für sie bittere Folgen haben wird. Ist Helmstetter eine Mann der Wissenschaft oder nur ein genialer Betrüger?

Sehr exakt werden die Zeitverhältnisse wiedergegeben. Ich als Leser darf Margarete über viele Jahre ihres Lebens begleiten. In Wittenberg wird sie auf Luther und Melanchthon treffen. Sehr schnell begreift sie, dass der Hexenglaube auch in diesen Kreisen weit verbreitet ist.

Zu den stilistischen Höhepunkten des Buches gehören die gekonnt ausgearbeiteten Streitgespräche. Manche Worte und Sätze rufen Erinnerungen an Goethes Faust wider. So sagt Helmstetter an einer Stelle.

 

„...Es war alles umsonst! Verstehst du? All mein Wissen und Streben nach Erkenntnis ist nicht einen Taler wert...“

 

Besonders interessant fand ich den Diskurs in der Heidelberger Universität über das Verständnis der Bibel. Daran nahm Trithemus teil, und er hat sich dabei ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Das sollte später Folgen haben.

Auf eines hat der Autor besonderen Wert gelegt. Er zeigt den Wandel der Zeit durch den seit kurzem möglichen Buchdruck. Die Menschen sinnt gierig nach Nachrichten. Wissen kann sich schnell verbreiten. Trithemus zeigt die Schattenseiten:

 

„...Mit einem Unterschied: In der Zeit, in der ein Kopist eine Lüge zu Papier gebrachte, hat der Drucker sie heute schon tausendfach vervielfältigt...“

 

Wer ist der wahre Faust. Dr. Helmstetter oder Margarete? Diese Frage zieht sich durch die gesamte Handlung. Währenddessen kursieren durch Deutschland Pamphlete, die von den Wundertaten eines Dr. Faust berichten. Und sie zeigen ihn im Pakt mit dem Teufel. Ob sie wahr sind, interessiert keinen Mensch. Reformation, Bauernkrieg und die Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten bilden den historischen Hintergrund der Handlung.

Im inhaltsreichen Nachwort erläutert der Autor, auf welchen Quellen sein Roman beruht, was historische Tatsachen und was Fiktion ist. Gleichzeitig werden Parallelen zur Gegenwart deutlich.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen.