Rezension

Why why why?

Die Paradiese von gestern -

Die Paradiese von gestern
von Mario Schneider

Die Lektüre hat mich ratlos zurückgelassen. Viele Andeutungen, keine Erklärungen oder Auflösungen. Allerdings viel Diskussionspotential.

Mario Schneiders Roman 'Die Paradiese von gestern' berichtet über den Frankreichurlaub eines jungen Pärchens aus der Deutschen Demokratischen Republik, kurz nach der Wende. Die beiden kommen in einem alten Schlosshotel/Weingut in der Nähe von Bordeaux unter, das, wie seine Herrin - Madame de Violet - aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Die Dame und ihr letzter verbliebender Angestellter, Vincent - Koch, Gärtner, Diener und alles andere - gewähren den beiden als hochoffiziell letzten Gästen den Aufenthalt in ihrem Haus. 

Bei einem festlichen Diner am ersten Abend stößt überraschend der in Paris lebende Sohn von Madame de Violet, Alain, zu der vierköpfigen Gesellschaft und stört die allgemeine - vielleicht etwas zu lethargische - Stimmung. Er 'entführt' den jungen Mann aus der DDR am nächsten Tag zu einem Kurztrip nach Paris, wo dieser auf vielfältige Arten sich selbst begegnet, während seine Freundin die Nähe zu Vincent sucht und ihn etwas aus seiner jahrzehntelang erprobten Starre lockt. 

Es wird im Verlauf der Geschichte schnell klar, dass die Beziehungen der Personen untereinander alles andere als einfach oder geklärt sind - die der beiden Urlauber, René und Ella, untereinander, die zwischen Madame de Violet und ihrem Sohn oder auch die von ihr und Vincent. Durch das Vermischen der 5 Personen während Alains und Renés Paris Trip erhalten alle die Chance, zu resümieren und evtl. notwendige Änderungen anzustoßen. 

Während der Leser also nach und nach versteht, wie es zwischen den Personen aussieht und warum, streut Schneider von Zeit zu Zeit verstörende Rückblicke auf traumatische Ereignisse ein bzw. lässt die Protagonisten etwas erleben oder andeuten, was Grundlage für große Probleme oder Diskussionen sein könnte. Während man bei den ersten solchen Stellen noch denkt, dass der Autor da an späterer Stelle noch einmal drauf eingehen wird und das Geschilderte für den weiteren Verlauf der Geschichte noch eine Rolle spielt, muss er schließlich feststellen, dass dem nicht so ist. Was mich zum Titel meiner Rezension bringt - Why why why?! Warum? Warum diese Andeutungen und bizarren Szenen, wenn diese auf den Gang der Geschichte keinen Einfluss haben? Hinzu kommt eine Ratlosigkeit über die Beweggründe der Protagonisten und ihre Motive - die ja vielleicht mit ihren vergangenen Erfahrungen zusammenhängen, aber wer weiß das schon? Der Autor zumindest verrät uns nichts darüber. 

Zudem wirft auch die Wahl des Titels Fragen auf - will der Autor damit sagen, dass rückschauend immer alles besser ist? Die Geschichte spiegelt das so nicht wieder, auch wenn René zeitweise den Eindruck macht, als würde ihn das Ende der DDR nicht allzu sehr freuen. 

Insgesamt ging es in 'Die Paradiese von gestern' mehr um ostdeutsche Studien als südfranzösischen Sommerflair und war somit nicht das, was ich erwartet hatte. Die vielen angedeuteten Probleme, die dann aber ignoriert wurden, haben zusätzlich frustriert. Das Buch war, wie der Schlossaufenthalt von René und Ella, ein Intermezzo mit vielen Anregungen, nach dem jedoch hinterher alles weitergeht wie zuvor.