Rezension

Wie das stumme Echo eines Déjà-vus

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue -

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue
von V. E. Schwab

Bewertet mit 5 Sternen

Niemand erinnert sich an Addie LaRue. Sie hat vor drei Jahrhunderten einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und seither bleibt ihr lediglich sich mit dem Moment zufrieden zu geben, weil sie kaum Spuren hinterlässt. Bis sie im heutigen New York einem Mann begegnet, der sich dem satanischen Machwerk zum Trotz an die namenlose Schöne erinnert. 

„Das unsichtbare Leben der Addie LaRue“ ist ein faszinierendes, gefühlvolles Meisterwerk von V. E. Schwab. Während die Autorin bisher dem Fantasy-Genre alle Ehre macht, hat sie diesmal einen Roman geschaffen, der auch Leser außerhalb des Fantastischen begeistert. 

Die Geschichte beginnt im Jahr 1714, als Addie einen Pakt mit dem Teufel schließt. Die junge Frau wünscht sich nichts sehnlicher als absolute Freiheit. Ein Wunsch, den ihr der dunkle Fürst gerne gewährt, weil der Preis dafür ungeahnte Konsequenzen in sich birgt. 
Seither wandelt Addie LaRue als namenlose Schöne durch die Welt. Sie ist der Hauch eines Gedankens, das stumme Echo eines Deja-Vues oder die sanfte Brise einer Ahnung. Kein Mensch erinnert sich an sie. Sobald sie aus dem Blickfeld anderer Personen verschwindet, verliert sich die Erinnerung an sie. 

"Nichts ist nur gut oder schlecht." (S. 521, eBook)

Damit gehen gewisse Vorteile einher. Der Teufel hält, was er verspricht und hat ihr grenzenlose Freiheit geschenkt. Sie hat keinerlei Verpflichtungen, lebt von einem Augenblick in den nächsten, nimmt sich, was sie will, wobei ihr Dasein von der Kehrseite ihres Pakts überschattet ist. 

V. E. Schwab spricht mit diesem märchenhaften Werk spannende Themen an. Wer wünscht sich manchmal nicht, frei zu sein? Den täglichen Pflichten zu entgehen und hemmungslos in den Tag hinein zu leben? Mit ihrer Figur Addie LaRue zeigt die Autorin, dass lästiges Einerlei, der mühsame Trott oder die Überwindung, einen vermeintlich tristen Tag zu begehen, der Preis für das Funkeln des Lebens sind. Denn was wären wir ohne unsere Lieben, für die wir das Radwerk des Alltags am Laufen halten? Wie würde es uns ohne die herzerwärmenden Momente, Gesten und Vertraulichkeiten ergehen, die unserem Tag den Glanz verleihen? Für mich schreibt die Autorin klar davon, dass das Leben ein Balanceakt aus Pflicht und Kür ist, der uns viele Mühen und gleichzeitig Freude schenkt.

Der Erzählstil von V. E. Schwab ist einnehmend, lässt die Seiten ineinander schmelzen, stimmt melancholisch und regt zum Nachdenken an. Addies Leben wird direkt aus ihrer Perspektive erzählt. Sie berichtet von Verzweiflung, Schmerz, schierer Angst, aber auch von Übermut, vergnüglichen Augenblicken und euphorischen Momenten, und dem bitteren Beigeschmack, weil sie diese mit niemanden teilen kann.

Die Handlung hat mich mit sich getragen. Es wird abwechselnd von der Gegenwart und der Vergangenheit erzählt. Addie breitet ihre Lebensgeschichte aus 300 Jahren vor dem Leser aus, und lässt einen süßsauren Geschmack am Gaumen zurück.

Ich bin begeistert von diesem Buch. Es ist einfühlsam, philosophisch und weise geschrieben, bereitet Vergnügen und stimmt ernste Gedanken an.

Meiner Meinung nach hat V. E. Schwab mit „Das unsichtbare Leben der Addie LaRue“ ein großartiges Meisterwerk geschaffen, welches sich beim Leser in Herz und Seele brennt.