Rezension

Wie kann ich helfen, in der Zeit die uns bleibt?

Alte Eltern -

Alte Eltern
von Volker Kitz

Alte Eltern – Volker Kitz

 

Zusammenfassung:

 

In „Alte Eltern“ berichtet Volker Kitz vom Leben seines Vaters. Er zeigt auf welche Verbindung er zu ihm empfindet und welche Auswirkungen es im Alltag mit einer fortschreitenden Krankheit zu bewerkstelligen gibt. Ungeschönt und real erzählt er von wahren Emotionen, von Kontrollverlust und Ungewissheit, und dennoch von Liebe in sämtlichen Facetten. Auch wenn Entscheidungen schwer zu treffen sind.

 

 

Meine Meinung:

 

Das gesamte Buch ist ein Erinnern. Eine Rückschau, eine Hommage an den eigenen Vater. Volker Kitz verbindet grandios seine Verarbeitung mit der väterlichen Demenzdiagnose in Zeiten der Pandemie mit den damit einhergehenden Gedanken und Sorgen, welche ihn selbst immer wieder ratlos zurücklassen. Ihn treiben Fragen um, welche auch mich in seiner Situation tief bewegen würden. 

 

„Wie behalte ich Zugang zu ihm, teile Schmerz, Freude, pendle in seine Welt – ohne meine verdorren zu lassen? Wie kann ich ihm helfen, letzte Lebensaufgaben aufzuarbeiten, in der Zeit, die uns bleibt? Wie bereite ich mich selbst auf die existenziellen Augenblicke vor, die kommen werden? Wie begegne ich meiner Unzulänglichkeit?“(Auszug von S.33)

 

Er beleuchtet wirklich jede erdenklich mögliche und geschehene Situation aus seiner Sohn bezogenen Sicht. Auch wenn man dazu hin und wieder einen längeren Atem braucht, lohnt sich jede Minute mit diesem Bericht. Ich habe so viel Mitgefühl herausgelesen, dass es mich nachhaltig zum geduldigeren Umgang mit betroffenen Personen gebracht hat. Es hat mich oft sprachlos hinterlassen und dennoch mit neuem Wissen bereichert.

 

Zahlreiche wissenschaftliche Informationen und Fakten begleiten seinen Text und runden ihn dadurch ab. Zudem beinhaltet dieses Buch ein umfangreiches Literaturverzeichnis, welches ein nachträgliches Vertiefen ermöglicht.

 

 

Fazit:

 

Wer sich nicht vor wissenschaftlichen Texten, gespickt mit Humor und Ehrlichkeit scheut, wird hier tief in den Bericht versinken können. Der Leser wird sich auf vielerlei Hinsicht wiedererkennen und auch viele Punkte nachvollziehen können.

Ein Leseerlebnis ist definitiv garantiert, dennoch sollte man sich in ausreichend mentaler Gesundheit befinden um diesen Text angemessen aufnehmen zu können.

 

 

Prägende Stellen im Buch, um nur zwei zu nennen, es gibt noch so unglaublich viel mehr klug und pointiert geschriebene Sätze:

 

Schreiben ist Suche nach Zurechtkommen, das heißt für mich: meinem Vater anständig gegenübertreten. Dem Vertrauten nicht nachtrauern, wenn es gegangen ist. Dem Vertrauten an ihm, an mir, an den Dingen, an einer Welt, die sich so ändert, dass wir die alten Rezepte nicht anwenden können, weil Zutaten fehlen. Die Lücken füllen mit etwas, das trägt, für diesen Moment. Dann für den nächsten. Dann sehen wir weiter.

 

Es existiert nicht der Tag, an dem wir die Verantwortung aufnehmen oder abgeben. Wir können nur wachsam sein, zu erkennen versuchen, wenn jemand uns braucht. Und hoffen, dass es bei uns jemand merkt.