Rezension

Wie wird man eigentlich böse?

Land of Stories: Das magische Land 2 - Die Rückkehr der Zauberin - Chris Colfer

Land of Stories: Das magische Land 2 - Die Rückkehr der Zauberin
von Chris Colfer

Bewertet mit 4 Sternen

Eine weitere wundervolle Verflechtung vieler bekannter und weniger bekannter Märchen. Phantasievolle Vervollständigung der Frage, was passiert, wenn das Märchen zu Ende ist.

Das Buch:

Dieses Buch ist der 2. Teil der Reihe "Land of Stories - Das magische Land". Man sollte den ersten Teil kennen, bevor man zu diesem greift, wenngleich die Geschichte in sich verständlich und abgeschlossen ist. Es handelt sich um ein weiteres Abenteuer der Zwillinge Connor und Alex im magischen Land.

Worum geht's?

Connor und Alex - die inzwischen 13jährigen Zwillinge - werden in der Anderswelt von der bösen Zauberin bedroht. Ihre Großmutter - die gute Fee - lässt deshalb eine ganze Armee und Mutter Gans - ebenfalls Fee - aus dem magischen Land anrücken um die beiden zu beschützen. Als ihre Mutter eines Abends nicht von der Arbeit nach Hause kommt, flüchten sie und sind schneller als vermutet mitten in einem neuen, magischen Abenteuer mit vielen Gefahren unterwegs.

Charaktere:

Connor und Alex sind deutlich erwachsener geworden; sie sind sympathisch und trotz sehr vieler anderer Figuren stets im Mittelpunkt der Geschichte. Ich mag die beiden. Besonders ihre ganz alltäglichen Probleme bzw. ihr Leben in der Anderswelt machen die beiden glaubwürdig. So soll es einen Stiefvater in ihrem Leben geben, Alex beginnt Kurse auf dem College zu besuchen und Connor zu schreiben. Am Anfang der Geschichte geht es wenig magisch zu - zumindest solange bis ihre Großmutter auftaucht.

Mutter Gans scheint im Verlauf aller Teile eine größere Rolle zuzufallen, deshalb war ich sehr gespannt, was es mit dieser Figur auf sich hat. Leider kommt sie hier noch nicht wirklich zur Geltung, wenngleich ich sie als sehr locker (und vielleicht auch nicht eben pflichtbewusst) wahrgenommen habe. Ich musste schmunzeln, wenn sie nach zuviel Champagner anfing zu reimen. Mutter Gans ist berühmt für ihre Kinderreime. Und sie hat mehr als nur ein Gläschen verkostet.

Auch wenn die Märchenwelt aus vielen Königreichen besteht, so standen in diesem Teil Rotkäppchen und Froggy, Jack und Goldlöckchen neben den Zwillingen im Mittelpunkt um das Abenteuer zu bestehen und die Aufgabe zu erfüllen.

Rotkäppchen erscheint mir dabei - wie schon im ersten Teil - ganz wie eine verwöhnte Göre. Ständig hat sie etwas zu nörgeln, nichts ist gut genug und ihre ständige Eifersucht auf Goldlöckchen kann auch manchmal anstrengend sein. Hinzu kommt eine wirklich übermäßige Eitelkeit. An mancher Stelle ging mir das dann doch auf die Nerven, zumal sich ihre Lamenti zwischenzeitlich - zumindest in ihrem Inhalt - wiederholten.

Die Zauberin, deren Ziel es ist, sich die magische und die Anderswelt zu unterwerfen, ist eine perfekte Gegenspielerin. Sie ist bereit alles zu zerstören um ihr Ziel zu erreichen. 

Im Laufe der Geschichte lernen wir diese Figur immer besser kennen, auch oder gerade ihre Beweggründe. Wie schon bei der bösen Königin ist auch sie nicht von Anfang an böse, sondern wurde es erst durch diverse Schicksalsschläge. Das ist von Colfer gut gedacht und die Message dahinter, dass niemand böse auf diese Welt kommt, ist ganz bestimmt richtig. Das kann den Leser durchaus zum Nachdenken anregen.

Eine Schwierigkeit hat mir die Verstrickung der vielen Familienverhältnisse bereitet. Einerseits lobe ich mir die Phantasie des Autors und die Fähigkeit zu hinterfragen, was wohl vor und nach den Märchen, wie wir sie kennen, passiert sein mag, wie es dazu kam. Aber andererseits sind es für meine Begriffe etwas zu viele Personen gleichzeitig und zu viele Märchen, die ineinander übergehen. Ich musste mich schon ziemlich konzentrieren um hier den Faden nicht zu verlieren und niemanden falsch zuzuordnen.

Schreibstil:

Nach wie vor mag ich Colfers Schreibstil. Seine Formulierungen sind leicht verständlich und frei von schwierigen Sätzen. Dennoch kommen meiner Meinung nach etwas zu viele Figuren gleichzeitig zum Einsatz, sodass es einigermaßen anspruchsvoll ist, den Überblick nicht zu verlieren. Ich setze darauf, dass sich dies im Verlauf der nächsten Bände etwas bessert und wir den gleichen Figuren immer wieder begegnen. Die Hauptfiguren sind jedoch klar und deutlich definiert. 

Darüber hinaus wurde mir diesmal etwas zu viel gelobt. Damit meine ich, dass in den wörtlichen Reden sehr oft geschrieben stand... lobte er oder lobte sie. Das allerdings trübt das Lesevergnügen nur marginal und ich bin mir nicht sicher, ob dies tatsächlich dem Original oder der Übersetzung geschuldet ist. Ärgerlicher fand ich definitiv die Schreibfehler, die sich zum Ende hin einschlichen. Insbesondere im Bezug zum Preis des Buches sollte so etwas nicht passieren.

Das Erzähltempo ist angemessen. Es entstehen keine Längen, aber der Autor rast auch nicht durch die Geschichte. Die Spannungsbögen, die Colfer Mithilfe der Einzelaufgaben spannt und sie manchmal zunächst auch scheitern lässt, sind rund und brechen nicht frühzeitig ein. 

Im Ganzen betrachtet macht die Geschichte viel Spaß. Colfer beweist ein schier unerschöpfliches Maß an Märchenkenntnis und immer neuer Antworten auf die Frage, was wohl vor und nach dem Märchen passiert ist. Besonders witzig finde ich dabei, dass sich Rotkäppchen ausgerechnet einen Wolf als Haustier hält.

Ebenfalls auffällig sind deutliche, aber nicht vordergründig ausgesprochene, Mitteilungen, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie Mut machen sollen. Sie sind passend in die Geschichte eingeschoben und wenn sich der Leser mit den Figuren identifizieren kann, wird er diese Nachrichten sicher auch aufnehmen.

Der Autor wartet gern auch mal mit unvorhergesehenen Wendungen auf. So habe ich das Ende des Buches nicht kommen sehen und hat mich berührt. Manche Entscheidungen sind nicht so einfach zu treffen. Da die Ähnlichkeit der Aufgaben aus Band 1 und 2 doch recht deutlich ist, hatte ich schon befürchtet, dass auch Band 3 vergleichbar sein könnte... Nach diesem Ende scheint dies aber zunächst unwahrscheinlich. Darüber hinaus werden langsam auch andere Strukturen und ihr Grund deutlich z.B. warum es sich bei dem Geschwisterpaar um Zwillinge handelt. 

Tauglichkeit für die Zielgruppe:

Diese ist meiner Meinung definitiv gegeben. Ich sehe zwar eher Mädchen in die Geschichte eintauchen, aber für Jungen ist sie ebenso geeignet. Da Alex und Connor ziemlich normale Teenager sind, kann sich der junge Leser sicherlich gut mit ihnen identifizieren. Einzig der Fülle an unterschiedlichen Figuren muss der Leser Herr werden.

Fazit:

Eine schöne Geschichte, die gerade für Märchenliebhaber neue Perspektiven zu Altbekanntem eröffnen. Aber auch jene, die die Märchen nicht kennen, werden ihre Freude haben. Einige kleinere Schwächen, aber es lohnt sich. 4 von 5 Sternen.