Rezension

Woher der Duft des Flieders weht

Woher der Duft des Flieders weht -

Woher der Duft des Flieders weht
von Jane Aiven

"Meine Sicht verschwamm. Bunt wurde zu Grau und das Grau wich schwarzen Flecken, die aus meinem Gesichtsfeld ein unregelmäßiges Schachbrett machten."

Die Geschichte um Rosa und Enes ist ein rosa-glitzerndes Fass aus Verliebtsein, Kribbeln und vorhersehbaren Schicksalsschlägen. Beide laufen sich über den Weg, Rosa ist hin und weg. Enes geht es genauso. Eine Beziehung beginnt und das Schicksal hat seine Hände im Spiel. Die Zeit der Zweisamkeit und der Achterbahn des Lebens beginnt ...

Für mich war die Geschichte der beiden eine Liebesgeschichte, die denjenigen gefallen wird, die es gut finden, wenn zwei Protagonisten miteinander wie beim Zuckerwatteschlecken umgehen und denen die schlimmsten Schicksalsschläge an den Hals wünschen. Zwischendurch gab es spannende Elemente, die durch Schicksalsschläge, die es wirklich in sich haben, ausgelöst werden. Einer von denen war jedoch in seiner Auflösung und im Umgang mit der Situation für mich nicht richtig. Ich kann nur so viel sagen: Verzeiht man einer Person, das, was sie tat sofort, weil jeder eine zweite Chance verdient hat? Für mich war das zu schnell abgehandelt, denn ich fand das, was die Person tat, absolut nicht in Ordnung und hätte mir einen anderen Umgang damit gewünscht. Zumal auch in der Hinsicht nichts weiter nachkam. Die andere Person, die sich gegen die anderen Person gewehrt hatte, hat keine „Strafe“ bekommen oder überhaupt eine Konsequenz. Wie vom Erdboden verschluckt und lass die Party starten - das neue Leben quasi. Die kam einfach ungeschoren davon. Ich konnte den Auslöser, dass sie es tat verstehen und auch, dass sie sich gewehrt hat. Aber das Thema wird einfach unter den Tisch gekehrt, auch wenn es ab und an durchrieselt. Das ist aber nicht der Rede wert. Hat nicht alles seine Konsequenzen? Und das meine ich auch mit Rosarot. Klar, es gibt etliche Situationen, in denen man sagen kann: »Schwamm drüber!« Aber das, was vorgefallen ist, war nicht so eine. Bei wiederum anderen Situationen war das um Längen besser gelöst worden. Es wurde sich intensiv damit auseinandergesetzt. Dafür gab es von mir Pluspunkte.

Die Beziehung zwischen Rosa und Enes hielt hier und da eine krasse Achterbahnfahrt bereit, aber ansonsten war das alles sehr Rosarot gemalt. Mir war das zu viel des Guten. Enes hier, Rosa da und das, was an Achterbahnfahrt hinzukam, war dann natürlich das volle Programm. Wie sollte es auch anders sein? Stellenweise auch so traurig und erschütternd, dass ich eine Triggerwarnung sinnvoll gefunden hätte. Es geht ja nicht nur um Rosas und Enes‘ Gegenwart, sondern auch um Kapitel, in denen Rosa zu Enes und zum Zirkus findet. Ein Thema, das ich nun nicht verraten werde, hätte definitiv eine Triggerwarnung gebrauchen können, weil ich das schon sehr hart fand. Gerade für die, denen dasselbe widerfahren ist. Die Leser*innen können dann nämlich selbst entscheiden, ob sie dafür bereit sind, oder eben nicht. Und da kommt auch die nächste Frage auf, die ich hier aber nicht stellen werde. Jedenfalls geht es um dieselbe Situation, aber finde es selbst heraus, wenn du zu dem Buch greifen solltest. 

Dennoch hat Enes immer Verständnis für sie. Nimmt sich und seine eigenen Bedürfnisse zurück, reagiert nie wie ein Kleinkind und ist sogar immer reflektiert. Der Traummann schlechthin. Auch Rosa ist absolut selbstlos, bescheiden. Das hat ihr sehr in der Situation mit ihrer Schwester geholfen – bis auch sie erkannte, dass sie gern auch egoistischer handeln darf und muss. 

Die anderen Protagonisten fand ich tatsächlich etwas spannender und hätte über den ein oder anderen gern mehr erfahren. Es hat mir auch nicht der erste Band der Reihe gefehlt, da immer mal wieder Dinge eingestreut werden, damit man das Verständnis bekommt, wer wer ist und wie deren Vergangenheit aussah. Man muss den ersten Band daher nicht unbedingt lesen. 

Vieles war für mich vorhersehbar, teilweise wirkte es auch konstruiert. Fast so wie: »Man musste jetzt einfach in die „Cozy-Love-Vibes“ alles hineinkippen, was ging, damit es nicht nur diesen Flair versprüht. Aber es dennoch so bleibt.« Das fand ich schwierig, denn ich habe mich sehr auf die Geschichte gefreut. Gerade das Thema Zirkus war voll meins und ich war gespannt, wie Rosa sich einfindet, was sie daraus macht und ob sie vielleicht Artistin wird oder, oder, oder. Ich will nicht sagen, dass das Buch schlecht war, nur war vieles für mich vorhersehbar und ich hätte gern mal erlebt, dass Enes einfach mal auf den Tisch haut und sich Luft macht oder es einen Gefühlsausbruch von Seiten Rosa gibt – irgendwas, was die Stimmung ein wenig runterbricht. Nicht nur die heftigen Schicksalsschläge. Um nochmal zu Enes zu gekommen. Gern hätte ich eine andere Seite von ihm gesehen oder ein Blick auf eine düstere Vergangenheit, frei vom Tisch auf die Faust hauen. Irgendetwas, was ihn nicht wie einen totalen Gutmenschen dastehen lässt. Gut, die Affären im Wohnwagen zählen nicht. Genauso erging es mir auch mit Rosa. Ja, sie ist ausgezogen, um bei Enes zu sein. Alles gut und schön, aber irgendwie ... 

Mir fehlte etwas, was ich nicht benennen kann. Und auch wenn ich es schnell durchgelesen hatte, dank des guten Schreibstils der Autorin, blieb ich irgendwie leer zurück. Mir ist die Geschichte mit keinem Punkt im Kopf geblieben. Nichts, worüber ich jetzt noch nachdenke oder wo ich mir sage, dass ich das zur Inspiration nehmen würde.