Rezension

Wundervoller Roman mit Lieblingsbuch- Charakter!

Das Buch der Fälscher - Charlie Lovett

Das Buch der Fälscher
von Charlie Lovett

Um das Thema dieses Buches erklären zu können, muss man etwas weiter ausholen.

Es gibt in der Literaturwissenschaft seit dem 18. Jahrhundert – also bereits eine ganze Weile – eine Diskussion, die sich um die Person William Shakespeares dreht. Bereits bedeutende Persönlichkeiten und Schriftstellerkollegen wie Mark Twain haben sich in diese Debatte eingeschaltet. Und zwar geht es bei dieser Frage darum, ob es die Person William Shakespeare wirklich gab, oder ob vielleicht jemand anderes die Werke des großen britischen Schriftstellers geschrieben hat.

Dafür gab es bereits mehrere Kandidaten, die zu unterschiedlichen Zeiten favorisiert wurden, unter anderem die Philosophen und Schriftsteller Francis Bacon und Christopher Marlowe, die auch für sich als bedeutende Autoren ihrer Zeit gelten. Mittlerweile wird der britische Adelige Edward de Vere, 17. Earl of Oxford, für die Urheberschaft der Werke favorisiert – immer unter der Einschränkung, dass die Werke tatsächlich nicht von Shakespeare selbst geschrieben wurden.

Grund für diese Debatte sind zwei Dinge: Erstens die mangelnden Beweise für das Schaffen und Leben des William Shakespeare und zweitens die niedrige Schulbildung, die er genossen haben soll.

Shakespeares Werke sind voller politischer Raffinesse und psychologischer Tiefen, unwahrscheinlich dass jemand, der lediglich eine Grammar School besucht haben soll, so etwas schreiben kann.

Nun ja. Die Urheberschaftsdebatte um William Shakespeare ist keine ernsthafte wissenschaftliche Diskussion, sie wird von einigen Forschern aber nach wie vor verfolgt, die sich „Anti- Stratfordianer“ nennen.

Lange Rede, kurzer Sinn. Charlie Lovett wirft in seinem Roman „Das Buch der Fälscher“ eine in diesem Zusammenhang elementare Frage auf: Was wäre, wenn ein Schriftstück auftauchen würde, das Shakespeares Existenz und sein Schaffen zweifelsfrei belegen würde. Wie weit würde jemand gehen, um es zu bekommen? Oder anders gefragt: Wie weit würde jemand gehen, um solch ein Dokument zu fälschen?

Peter Byerly ist ein ganz normaler Mann, leidenschaftlicher Antiquar und Bücherliebhaber, treusorgender Ehemann. Doch nach dem Tod seiner Frau stürzt er in eine tiefe Krise. Erst die Aussicht, sich wieder mit alten Büchern zu beschäftigen, verhilft ihm wieder zu etwas Lebensfreude.

Bei der Sichtung des Bestandes einer alten Privatbibliothek stößt er dann auf einen wahren Schatz: Eine Ausgabe des „Pandosto“, eines Werkes des Schriftstellers Robert Greene, versehen mit handschriftlichen Notizen William Shakespeares, das angeblich als Vorlage für dessen spätes Stück „Das Wintermärchen“ (The Winter’s Tale) gedient haben soll…

Original und sensationeller Fund? Oder Fälschung und großer Betrug? Die Ereignisse beginnen sich zu überschlagen, während Peter eigentlich noch damit beschäftigt ist, den Tod seiner Frau Amanda zu verarbeiten.

Charlie Lovett hat eine wunderbare Art zu Schreiben. Er schreibt ganz leicht, ganz verständlich und das, obwohl das Buch sehr kompliziert aufgebaut ist.

Die Ausgabe des „Pandosto“, die ich eben angesprochen habe, ist im Laufe der Zeit und der Jahrhunderte durch viele Hände gegangen und hat Spuren im Leben der Besitzer hinterlassen.

Und diese werden erzählt. Parallel zu Peters Geschichte in den 1990er- Jahren und seiner Liebesgeschichte mit Amanda.

„Das Buch der Fälscher“ ist deshalb kein Buch, das man so nebenbei lesen kann, sondern nur mit höchster Konzentration, um den Faden nicht zu verlieren und alles einordnen zu können. Die großen Zeitsprünge machen die Geschichte dabei total interessant, da das Puzzle sich erst spät zusammensetzt.

Oberflächlich mag es wie ein Krimi erscheinen, gepaart mit ein bisschen Drama, doch wenn man unter die Oberfläche schaut, sieht man sich mit einer der interessantesten Fragen der Literaturwissenschaft konfrontiert, der man sich immer wieder gegenüber sehen wird: Der Frage nach dem Urheberrecht.

Charlie Lovett ist mit seinem Roman ein kleines Meisterwerk gelungen, das einem noch lange im Gedächtnis bleiben wird und das man sicherlich ganz regelmäßig alle paar Jahre zur Hand nehmen wird, um es mal wieder zu lesen.

Noch eine kleine Anmerkung zum Titel: Ich finde den Titel ziemlich unpassend, da er viel zu viel von der Handlung verrät. Der englische Originaltitel „The Bookman’s Tale“ mit der Anspielung auf „The Winter’s Tale“ ist dagegen schlichtweg genial.