Rezension

Zeitreise - eine gefährliche Erfindung

Zeitsplitter - Die Jägerin - Cristin Terrill

Zeitsplitter - Die Jägerin
von Cristin Terrill

Bewertet mit 4 Sternen

„Zeitsplitter – Die Jägerin“ von Cristin Terrill ist ein All-Age-geeigneter Jugendroman, der dem Genre Science-Fiction mit dem Schwerpunkt Zeitreise zuzuordnen ist. Obwohl für das amerikanische Original "All Our Yesterdays" bereits eine Fortsetzung angekündigt wurde, lässt sich „Die Jägerin“ als Einzelband lesen und muss durch die in sich abgeschlossene Geschichte nicht zwangsläufig als Auftakt zu einer mehrteiligen Reihe betrachtet werden.

Zunächst einige Worte zum Inhalt: Marina ist ein reiches, verwöhntes Mädchen aus Washington D.C. und heimlich verliebt in ihren Nachbarn und langjährigen besten Freund, den hochintelligenten James.
Vier Jahre in der Zukunft hat sich alles verändert. Em ist in einer dunklen Zelle eingesperrt. In der Zelle neben ihr sitzt ihr Freund Finn. Die Situation scheint aussichtslos, bis sie eines Tages unter dem Abflussdeckel einen Zettel findet, eine Nachricht, die sie sich selbst aus der Vergangenheit geschickt hat. Bereits vierzehnmal sind andere Versionen von ihr und Finn aus den Zellen entkommen und haben versucht, durch eine Zeitreise in die Vergangenheit die Zukunft zu verändern. Em und Finn planen es ein weiteres Mal zu versuchen, doch es scheint nur noch einen Weg zu geben, um die Zukunft zu verhindern. Jemand muss sterben…

Es ist wohl schon an den Namen der beiden Protagonistinnen, die sich in diesem Roman als Ich-Erzählerinnen abwechseln werden, zu erahnen und wird auch in der Geschichte schon nach wenigen Seiten (und darüber hinaus bereits im Klappentext) offengelegt, sodass ich jetzt nicht zu viel verrate, wenn ich schreibe, dass Em und Marina ein und dieselbe Person sind. Vier Jahre trennen sie. Vier Jahre, in denen sich ihr Leben in den USA grundlegend verändert hat. Ursächlich dafür war eine Erfindung, die es für Em nun in der Vergangenheit zu verhindern gilt: Die Zeitreise.
Dass sie dies ausgerechnet dadurch zu erreichen versucht, dass sie eben diese Erfindung nutzt, um in die Vergangenheit zu reisen und dort entsprechende Veränderungen vorzunehmen, scheint zunächst paradox – der Autorin gelingt es aber weitestgehend für ihre Zeitreise logische und in sich stimmige Erklärungen zu finden.

Nichtsdestotrotz, Zeitreisen sind in Romanen immer eine heikle Angelegenheit. Zwar sind sie meist spannend und als Element der Science Fiction nicht nur etabliert sondern aktuell, gerade im Bereich der Jugendbücher, mit zunehmender Häufigkeit als Gegenstand der Handlung anzutreffen, doch insbesondere durch die Vermischung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft muss der Autor auch ein hohes Maß an Achtsamkeit in die logischen Zusammenhänge seiner Geschichte investieren. Fehler in der Zeitreiselogik, Ungenauigkeiten in der Definition von Möglichem und Unmöglichem oder unüberlegte Wendungen führen nur allzu schnell zu einer Irritation des Lesers und können die gesamte Geschichte unglaubwürdig werden lassen.

Obwohl die Autorin die Handlung in der Zeit, in der sie hauptsächlich angesiedelt ist, Marinas Gegenwart, zu einem logischen Ende führt, gelingt es ihr meiner Meinung nach dennoch nicht, alle Elemente ihrer Erzählung damit zu vereinen. Hält sie zunächst noch einige Details recht schwammig, sind es doch die Ereignisse ganz am Ende, welche die Logik der Zeitreise endgültig definieren und zwar auf eine Art, die rückblickend betrachtet entweder nicht mit Teilen der Erzählungen und Handlungen der aus der Zukunft stammenden Protagonisten, bedauerlicherweise auch eine nicht unwesentliche Wendung gegen Ende, in Einklang zu bringen ist oder große Lücken in den Informationen offenbart, welche die Autorin dem Leser zur Verfügung stellt – so jedenfalls meine Einschätzung zur Zeitreiselogik.
Da diese Kritik nicht direkt den Hauptstrang der Handlung betrifft, ist es nur ein kleiner Störfaktor, aber perfekt durchdacht ist der hier präsentierte Zeitreise-Ansatz höchstens zu Hälfte.

Besser gelungen sind der Autorin da schon der Aufbau und die Charaktere ihres Romans. Auch wenn Em zwischenzeitlich eine leicht nervtötende, angesichts ihrer prekären Lage irrationale, widersprüchliche und vorhersehbare Verhaltensweise an den Tag legt und Finn ihr bedauerlicherweise dabei keine große Hilfe ist, so macht insbesondere der große Unterschied zwischen Marina und Em, die Entwicklung und Veränderung die diese Figur in den vier, dem Leser zunächst weitgehend unbekannten Jahren absolviert hat, den Reiz der Geschichte aus. Marina, das unbeschwerte naive Mädchen, gegen Em, abgehärtet nach vier Jahren, in denen sich die Erde grundlegend wandelte. Auch James und Finn sind interessante Charaktere – ersterer mehr als letzterer – und stellen gelungene Nebencharaktere dar, die auch für leichte, aber nicht zu dominante Liebesgeschichten taugen.

Der Wechsel zwischen Em und Marina als Ich-Erzählerinnen in den einzelnen Kapiteln ist stilistisch gut gewählt, um dem Leser in beide Handlungsstränge Einblick zu gewähren und den Leser wie auch die Figuren selbst immer wieder mit der Zeitreise-Thematik zu konfrontieren, indem die Geschichte regelmäßig aus beiden Perspektiven erzählt und die Überschneidungen gezeigt werden. Der Schreibstil ist gut, der Aufbau der Geschichte sehr spannend, auch wenn das Gefühl bleibt, dass vor allem die zukünftige Welt nur in kleinen Auszügen, aber lange nicht als greifbares Gesamtbild vermittelt wurde.

Fazit: „Zeitsplitter – Die Jägerin“ ist ein spannender Zeitreiseroman, der mit einer interessanten Idee und einer guten Umsetzung beim Lesen Freude bereitet. Kleine Logikfehler bleiben allerdings nicht aus und ausgerechnet eine Hälfte der beiden Ich-Erzählerinnen schwächelt nicht nur gelegentlich in ihrer Entscheidungsfreudigkeit. Insgesamt empfinde ich „Zeitsplitter“ als lesenswert und unterhaltsam und vergebe aufgrund der leichten Einschränkungen solide 4 Sterne. Ein empfehlenswerter Roman.