Rezension

Zweiunddieselbe - zwei Mädchen, durch die Zeit getrennt

Zeitsplitter - Die Jägerin - Cristin Terrill

Zeitsplitter - Die Jägerin
von Cristin Terrill

Pro:
Schon der Auftakt des Buches ist grandios und schmeisst einen direkt mitten in Ems klaustrophobische Welt. Hunger und Schmerzen sind alles, was sie Tag für Tag erwarten, und dennoch bleibt sie standhaft und hütet ihre Geheimnisse gegenüber dem sadistischen Direktor und dem zwiespältigen Doktor. Mit Finn, ihrem Mitgefangenen, verbindet sie eine verzweifelte Liebe, auch wenn sie sich niemals sehen sondern nur durch die Lüftungsschlitze miteinander sprechen können. Immer wieder fällt Ems Blick auf den Abfluss in ihrer Zelle, und sie hat das untrügliche Gefühl, dass sich darin ein großes Geheimnis verbirgt... Als es ihr gelingt, dieses Geheimnis zu ergründen, beginnt eine actionreiche Reise durch die Zeit, voller unerwarteter Wendungen.

Zwar ist Zeitreise an sich keine neue Idee, aber hier wird das Konzept verbunden mit der rührenden Geschichte einer ersten Liebe - die unaufhaltsam den Grundstein legt für etwas Furchtbares. Hier werden viele ethische Fragen aufgeworfen: ist es z.B. vertretbar, in der Vergangenheit jemanden zu töten, der zu diesem Zeitpunkt noch nichts Schlimmes getan hat? Kann es von Em und Finn verlangt werden, sich selber zu opfern, um die Vergangenheit zu korrigieren?

Für mich war das Buch wie eine Achterbahnfahrt - manchmal sieht man den Abgrund schon kommen, aber man kann sich nur festhalten und auf das Beste hoffen. Viel von der Spannung entstand dabei nicht so sehr durch die Frage, ob Em und Finn die Dystopie, in der sie leben, in eine Utopie verwandeln können, sondern aus ihren Emotionen und den Emotionen ihrer früheren Ichs. Und das ist meiner Meinung nach gut so. Mit zwei unerschrockenen Helden, die unbeirrt die Welt retten, hätte ich nicht so mitfühlen können wie mit diesen zwei jungen Menschen, die zweifeln und hadern und dabei auch öfter einmal scheitern.

Dabei waren Em und der ältere Finn für mich stärkere Charaktere als Marina und der jüngere Finn. Sie sind durch die Hölle gegangen und daran gewachsen, und das macht sie unglaublich interessant. Womit ich nicht sagen will, dass mich ihre jüngeren Ichs nicht interessiert hätten - aber sie sind eben völlig normale Teenager, mit Teenagersorgen. Allerdings ist gerade dieser Gegensatz manchmal ein richtiger Schock-Effekt, denn er bringt einem erst wirklich nahe, wie katastrophal und hoffnungslos die Zukunft ist. Der dritte zentrale Charakter, James, war vielleicht der interessanteste - denn er ist in der Gegenwart schon von Ängsten und Zweifeln getrieben.

Viel mehr kann ich jetzt nicht verraten, ohne ZUVIEL zu verraten!

Das Buch ist keine kitschige Liebesschnulze, aber Liebe und Verrat sind immer wiederkehrende Grundthemen, und die starken Emotionen, die daraus entstehen, sind wie der Treibstoff für diese Geschichte.

Den Schreibstil fand ich wunderbar, sehr eindringlich und lebhaft. Ob die Geschichte nun gerade in Ems Zelle spielt oder auf einer glamorösen Party, die Marina besucht, man kann die Szenen immer sehr gut vor sich sehen.

Kontra:
Die ein oder andere Entwicklung habe ich kommen sehen, aber ich hatte nie das Gefühl, als Leser schon so viel erahnen zu können, dass die Spannung verloren geht. Wie schon gesagt, die Spannung entstand für mich ohnehin mehr aus der emotionalen Entwicklung der Charaktere.

Zusammenfassung:
Das Buch ist definitiv nicht nur interessant für Teenager. Es ist intelligent, gut geschrieben und wie ein Hauch frischer Wind in der dystopischen Literatur für Jugendliche. Ich war fast etwas traurig, als das Buch vorbei war!