Rezension

Zwei Jahre nach Fukushima

Zuhause in Fukushima - Judith Brandner

Zuhause in Fukushima
von Judith Brandner

Bewertet mit 5 Sternen

Die Journalistin und Japanexpertin Judith Brandner veröffentlicht hier 13 Interviews, die sie 2013 durchführte, zwei Jahre nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima. Die Interviews verarbeitet sie in kleine Reportagen und Portraits, so dass jedes Kapitel eine Person, auch mit Fotografien illustriert, näher darstellt. Unter den Interviewten befinden sich unter anderem Bauern, Musiker, Künstler, ein Arzt, eine Kindergärtnerin, ein Undercover Journalist und NGO-Aktivisten.

Die Sprache der Journalistin ist sehr anschaulich, so dass deutliche Bilder entstehen. Nebenbei erfährt man auch einige Dinge aus der Kultur und Geschichte Japans. Aber vorrangig geht es darum, was der AKW Unfall in Fukushima für die dort lebende Bevölkerung bedeutet, wie er sich auf das eigene Leben auswirkt und wie jeder damit umgeht.

Imponierend dabei, dass die interviewten Japaner sich mitverantwortlich an der Katastrophe fühlen.

Doch zumeist bin ich als Leser eher betroffen. Weite Gebiete sind nicht mehr bewohnbar. Viele Familien trennten sich. Die Bevölkerung ist gespalten in Menschen, die aus der Region weggehen und die Menschen, die bleiben. Zwischen ihnen herrscht wenig Verständnis. Seitens der Wissenschaft und Regierung gibt es sehr unterschiedliche und auch widersprüchliche Aussagen in Bezug auf mögliche Gefährdungen, so dass die Bevölkerung sehr verunsichert ist, nicht weiß, was nun wahr und unwahr ist, zweifelt und demzufolge wenig an einem Strang zieht.

Der Undercover Journalist enthüllt, dass die Messwerte der Strahlungen seitens der Regierung manipuliert – nach unten versetzt – werden. Zudem helfen die Dekontaminationsmaßnahmen wenig. Es wird deutlich, dass aus den Folgen von Tschernobyl wenig gelernt wurde.

Dies und vieles mehr erfährt man aus den dargestellten Portraits.

Die Reportagen erhellen mir das Bild sehr, wie die aktuelle Situation, der Alltag der Betroffenen aussieht.. Vieles erschütterte mich, machte mich traurig, betroffen, fassungslos und wütend. Trotz allem geben sie aber auch Hoffnung, da ein Teil der Menschen aufgerüttelt wurde und sich nun für Umweltschutz und in der Politik engagiert.

Und doch bleibt ein ungutes Gefühl zurück, da die Atomkraftlobby nach wie vor sehr stark ist und Fukushima wohl nicht die letzte Nuklearkatastrophe sein wird.