Buch

Raubkind - Dorothee Schmitz-Köster

Raubkind

von Dorothee Schmitz-Köster

Klaus B. ist Mitte Siebzig, als sein ordentliches Leben aus den Fugen gerät. Er erfährt, dass er als Kind Opfer eines Verbrechens wurde. Er selbst kann sich an nichts erinnern. Mit Hilfe einer Journalistin findet Klaus B. heraus, dass er in Polen zur Welt gekommen ist. Dass er 1943 seiner Familie geraubt wurde, vermutlich von der SS. Dass sein Name und seine Herkunft mit Hilfe des "Lebensborn" gefälscht wurden, der ihn dann bei linientreuen deutschen Pflegeeltern unterbrachte. Klaus B. und die Journalistin lernen: Dieses Schicksal teilten Zehntausende Kinder aus Polen und anderen osteuropäischen Staaten. Sie wurden von nationalsozialistischen "Rassenspezialisten" ausgewählt, ihren Familien entrissen und zur "Germanisierung" nach Deutschland verschleppt. Bis heute wissen viele "Raubkinder" nichts von ihrer Herkunft. Klaus B. macht sich auf die Suche nach seinen Wurzeln und findet eine Familie, die ihn seit sieben Jahrzehnten vermisst.

Alles beginnt mit dem Anruf einer Journalistin, die Klaus B. telefonisch darauf anspricht, dass er 1944 als Pflegekind zu seiner Familie gekommen sei, aus dem Lebensborn-Heim in Bad Polzin. Ob er sich an dieses Heim erinnern könne? Ob er wisse, warum er dort gewesen sei? Darüber würde sie gerne mit ihm reden. Sie beschäftige sich nämlich mit dem Lebensborn, auch mit dem Heim in Bad Polzin. Er selbst hat erst mit neunzehn Jahren erfahren, dass die Familie ihn aus einem Lebensborn-Heim geholt hatte. Das war alles. Kein Wort darüber, warum er in diesem Heim war und was Lebensborn bedeutet.

Klaus B. ist hin- und hergerissen zwischen Neugier und gleichzeitig dem Wunsch, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Obwohl er sich in den letzten Jahren immer wieder gefragt hat, ob die Informationen wirklich stimmen, die ihm die Stiefeltern mit auf den Weg gegeben haben. Warum hat er zum Beispiel keine Geburtsurkunde? Als junger Bursche hatte er nur einen Flüchtlingsausweis, das war alles. Und irgendwann war der Ausweis fort, verlegt, verloren, auf alle Fälle konnte er ihn nicht mehr finden. Es kann sein, dass die Urkunde wirklich auf der Flucht verloren gegangen ist, wie seine Stiefmutter gesagt hat. Seine Stiefgeschwister Inge, Uschi, Volker und Gero haben allerdings Geburtsurkunden...

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht und der Besetzung Polens zerschlugen die neuen Machthaber den polnischen Staat mitsamt seinen Strukturen. Politiker und Militärs, Juristen, Kleriker und Wissenschaftler - pauschal als Gegner klassifiziert - wurden fortgejagt, verfolgt, ermordet. Im Oktober 1939 teilten die deutschen Besatzer das Land in zwei Teile und Hitler kündigte einen "harten Volkstumskampf" an, um "das alte und neue Reichsgebiet zu säubern von Juden, Polacken und Gesindel." In diesem Kontext von Diskriminierung, Entrechtung und Enteignung, von Gewalt, Terror und Mord auf der einen und "sauberer" Bürokratie auf der anderen Seite stand die Verschleppung der polnischen Kinder. Auch dabei ging es um "Rassenpolitik" - aber mit den Mädchen und Jungen, die in die Hände der Nationalsozialisten gerieten, hatte man etwas anderes vor. Heinrich Himmler propagierte das Vorhaben, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Man werde Kinder "guten Blutes" im Osten aus ihrer Umgebung herausholen, notfalls "rauben und stehlen" und nach Deutschland bringen. Nach Prüfung aller vorhandenen Quellen geht die Historikerin Isabel Heinemann von 20 000 verschleppten Mädchen und Jungen aus. Bis heute ist dies die belastbarste Zahl. Damit bleibt Polen trotz allem dasjenige Land, das die meisten Kinder an das NS-Germanisierungsprogramm verloren hat. Bekannt sind Kinderraub und Kinderverschleppung nach Deutschland aber auch aus Slowenien und der Tschechoslowakei. Um die Anerkennung als Opfer der Nationalsozialisten und für eine Entschädigung für das erlittene Unrecht kämpften in den letzten Jahren immer wieder sogenannte Raubkinder vor Gericht - bisher erfolglos.

Die Geschichte von Klaus B. steht stellvertretend und exemplar

Rezensionen zu diesem Buch

Ein vergessenes Kapitel der nationalsozialistischen Ideologie

Klaus B. und tausende andere Kinder wurden während dem 2. Weltkrieg aus ihrer Heimat verschleppt um germanisiert zu werden. Denn, so Hitlers Theorie, auch im Osten gibt es Personen arischer Herkunft welche daher germanisiert werden sollten, einerseits um das deutsche Volk aufzubessern und um zu verhindern, dass diese Personen später im eigenen Land hohe Positionen annehmen. So wurde Klaus B. mit nur 5 Jahren entführt, seiner Mutter und den Großeltern weggenommen, und nach Deutschland...

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Ein aufwühlendes Schicksal

Ein Leben lang hat Klaus B. das geglaubt, was ihm über seine Kindheit erzählt wurde. Erst mit über siebzig Jahren erfährt er durch die Recherche der Journalistin und Autorin Dorothee Schmitz-Köster die Wahrheit über seine Herkunft. Er wurde im Jahr 1943 von Deutschen, vermutlich der SS, aus seiner Familie gerissen und beim »Lebensborn« untergebracht. Dort verschaffte man ihm eine neue germanisierte Identität und gab ihn 1944 zu linientreuen deutschen Eltern, den Schäfers.

Bei den...

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Ein Buch, das tief bewegt

Dorothee Schmitz-Köster zeigt in diesem Buch eine weitgehend unbekannte Seite der Nazi-Machenschaften auf - den Raub >ja dieser Begriff trifft es wohl am besten< von polnischen Kindern. Sie sollten germanisiert werden. Dabei erzählt sie keine Geschichte, sondern beschreibt, einer Dokumentation gleichkommend, die Schwierige Recherche anhand des Schicksals von Klaus B.. Richtigerweise der Geschichte von Czeslaw B. Von sich selbst spricht die Autorin in der dritten Person - die...

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Gestohlene Identität

Die Journalistin und Autoren Dorothee Schmitz-Köster beschreibt in ihren Büchern die Schicksale von Kindern die durch den Krieg und die NS-Zeit benachteiligt wurden. Da gibt es die Kinder vom Lebensborn, deren Leben viele Fragen aufstellt.

Mit ihrem neuen Buch „Raubkind“ erfahre ich von einem neuen Greuel. Ich weiß das während des Krieges polnische junge Frauen nach Deutschland deportiert wurden, um dort zu arbeiten. Aber das blonde Kinder, die keinen Vater hatten den Müttern einfach...

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Erschreckend, aber wahr

✿ Kurz zur Geschichte ✿
Klaus B. ist Mitte Siebzig, als sein ordentliches Leben aus den Fugen gerät. Er erfährt, dass er als Kind Opfer eines Verbrechens wurde. Er selbst kann sich an nichts erinnern. Mit Hilfe einer Journalistin findet Klaus B. heraus, dass er in Polen zur Welt gekommen ist. Dass er 1943 seiner Familie geraubt wurde, vermutlich von der SS. Dass sein Name und seine Herkunft mit Hilfe des »Lebensborn« gefälscht wurden, der ihn dann bei linientreuen deutschen...

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Die Geschichte von Klaus B. steht stellvertretend und exemplarisch für die Geschichte aller Raubkinder. Und dennoch hat jedes dieser Mädchen und Jungen ein ganz eigenes Schicksal

Dorothee Schmitz-Köster, Raubkind. Von der SS nach Deutschland verschleppt, Herder 2018, ISBN 978-3-451-38380-9

 

Dies ist die Geschichte von Klaus B., der 1943 in Polen von der SS seinen Eltern weggenommen und  nach Deutschland gebracht wurde. Die Autorin Dorothee Schmitz-Köster, die seit langem Bücher zur deutschen Zeitgeschichte schreibt und sich auf die NS-Geschichte und den „Lebensborn“ spezialisiert hat, stößt im Rahmen ihrer Forschungen auf seinen Fall und nimmt mit...

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Weitere Infos

Art:
Hardcover
Sprache:
deutsch
Umfang:
272 Seiten
ISBN:
9783451383809
Erschienen:
August 2018
Verlag:
Herder, Freiburg
9.66667
Eigene Bewertung: Keine
Durchschnitt: 4.9 (6 Bewertungen)

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