Rezension

5 Sterne sind zu wenig für dieses Meisterwerk!

Blut und Seide - Marita Spang

Blut und Seide
von Marita Spang

Es gibt Bücher, die man nach der ersten gelesenen Seite zuklappt und für immer weglegt. Es gibt Bücher, die man nicht erst mal in die Hände nimmt. Es gibt Bücher, die man schnell durchliest und genauso schnell vergisst. Es gibt auch solche, durch die man lange durchkämpft und am Ende doch denkt, dass sich das Lesen nicht gelohnt hat. Und es gibt Bücher, die einen vom ersten Satz an sich fesseln, tage- oder wochenlang begleiten und noch lange nach dem Lesen nicht aus dem Kopf gehen. Ein schönes Beispiel für die letzteren ist Marita Spangs „Blut und Seide“.

Dieses Buch ist erst der zweite Roman der Autorin, aber hier trifft ein Meisterwerk auf den Leser. Nach mehreren historischen Romanen, die ich gelesen hatte, kann ich von „Blut und Seide“ sagen, dass dieses Buch mich am meisten beeindruckt und überzeugt hat:

- mit filigran ausgearbeiteten Figuren, die absolut authentisch und lebendig erscheinen, vielseitig und nicht nach dem Schema „die bösen Figuren müssen bösartig bis auf den Knochenmark sein und dazu möglichst dumm, die guten – engelhaft rein, vorbildlich, schlau, an ihnen gibt es nichts auszusetzen“;

- mit der bis in die kleinsten Details überlegte Geschichte, die zum großen Teil auf historisch belegten Geschehnissen basiert und dadurch noch realer klingt. Hier scheint fast nichts zufällig zu sein. Auch Wunder scheinen nicht so märchenhaft wie man es manchmal liest;

- mit Spannung, die durch das ganze Buch den Leser hält. Ich musste mich mehrmals anhalten, damit ich das Buch nicht zu schnell las und es länger genießen konnte;

- mit Geheimnissen, die lange Geheimnisse bleiben. Die Autorin gibt nicht zu viel von ihnen preis, sodass der Leser nicht jedes Mal sicher sein kann, was auf den nächsten 50 Seiten passiert;

- mit der psychologischen Tiefe, die das Buch wohl der Hauptbeschäftigung der Autorin zu verdanken hat. Jede Handlung einzelner Figuren wird dadurch nachvollziehbar, und man kann das Schicksal jeder von ihnen miterleben, ihre Freuden und ihre Schmerzen spüren;

- mit der philosophischen Tiefe: das Buch beschreibt nicht nur eine große Geschichte, sondern versucht, dem Leser noch mehr zu sagen (absolutes Highlight in diesem Sinne ist das Gespräch zwischen der männlichen Hauptfigur Simon und Bruder Basileus im Kapitel 38);

- mit der erzählerischen Dichte: bei einigen historischen Romanen hat man als Leser das Gefühl, das einige Textpassagen, Seiten oder gar ganze Abschnitte absolut sinnlos sind, dass die Autoren damit nur versuchen, das Buch aufzufüllen, um auf die gewünschte Seitenzahl zu kommen. Und da Erscheinen schon Beschreibungen von irgendwas, die keinen Bezug auf die Geschichte haben und die man einfach überspringen kann. Bei „Blut und Seite“ konnte ich keinen einzigen Satz ungelesen weglassen. Denn jedes Detail hier scheint eine Bedeutung zu haben (und so ist es auch meistens). Und was noch schöner ist: ich fühlte mich damit auf keinen Fall überfordert. Die 824 Seiten erschienen mir nach der Lektüre gar zu wenig: Ich hätte so gerne noch weiter gelesen. Aufhören zu müssen war einfach schmerzhaft;

- mit der Liebe, mit der die Autorin an ihrem Buch gearbeitet hatte. Das erkennt man am Schreibstil, an den Details, an den Figuren, an gut recherchierten Erkenntnissen über das Leben im Mittelalter. Man erkennt hinter diesem Buch eine enorm große Arbeit, die mich mit ihrem Ergebnis absolut überwältigt hat.

Ich könnte weiter fortsetzen, womit mich das Buch noch überzeugt und beeindruckt hatte. Doch ich lasse es lieber die anderen Leser selbst entdecken. Ein so lesenswertes Buch wie „Blut und Seide“ findet man nicht oft, sodass es ein großer Versäumnis wäre, an diesem Buch vorbeizugehen, ohne es gelesen zu haben!