Rezension

Alt, aber noch furchtbar lebendig

Eierlikörtage - Hendrik Groen

Eierlikörtage
von Hendrik Groen

Hurra, ich lebe "immer" noch oder von einem der auszog, um das Leben im Altenheim unter die Lupe zu nehmen!
Heimbewohner Hendrik Groen, 83 1/4 Jahre alt, macht das, was bis dato noch keiner getan hat, aber endlich mal gemacht werden muss. Er schnappt sich ein Tagebuch und schreibt all das, was ihn und seine Altenheim-Kollegen so bewegen, nieder. 
Und das Gute ... hier werden keine kleinen, niedlichen Geschichten erfunden, die unser aller Herz berühren sollen. Hier beschreibt Heimbewohner Groen, lassen wir es mal dahingestellt sein, ob Hendrik Groen nun wirklich ein Bewohner eines Altenheimes ist oder ob hier nur jemand fabelhaft und intensiv recherchiert hat und unter einem Pseudonym dieses kleine Meisterwerk veröffentlicht, schonungslos, wie das Leben und das Miteinander unter Heimbewohner tatsächlich abläuft.
Groen ist dabei keiner von der Sorte, der sich vormacht noch mindestens zwanzig Jahre leben zu können, wollen vielleicht schon, aber er betrachtet alles sehr nüchtern und weiß, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem wir alle gehen müssen und das ohne Wenn und Aber - unser Dasein ist nun einmal endlich.
Als kontaktfreudiger Kautz schafft Groen es, sich mit Menschen zu umgeben, mit denen er sich austauschen kann und dabei stehen insbesondere Themen wie Ängste und die Einsamkeit der "Alten" ganz oben auf der Liste.
Der Pflegenotstand ist auch hier deutlich zu spüren, denn groß ist die Sorge derer, die bettlägerig oder aber auch stark behindert sind. Großartig Zeit, um sich um die Schützlinge zu kümmern, hat niemand vom Pflegepersonal, so traurig es auch ist.
Da ist es nur umso schöner, dass Hendrik Groen eine kleine, aber feine Schar von Heimbewohnern um sich hat, mit denen er auch einfach einmal dem Altenheimalltag entfliehen kann und sie sich Zeit für das nehmen, was Leben bedeutet und ausmacht, auch wenn nicht all ihre Träume realisiert werden können.
Wie oben schon einmal angeschnitten, glaube ich nicht, dass Groen wirklich der 83 1/4 Jahre alter Heimbewohner ist, vielmehr ist Groen einer von uns. Auch wenn es für mich dann doch noch eine Weile dauert, so hoffe ich zumindest, bis ich irgendwann auf die Hilfe anderer angewiesen bin, sind die Sorgen und Nöte der Heimbewohner wirklich sehr realistisch dargestellt. Da muss jemand nicht nur von seinem Zuhause, was schon schlimm genug ist, Abschied nehmen, nein, da muss vielleicht ein liebgewonnener Vierbeiner zurückbleiben, der die letzten Jahre zu einem Vertrauten geworden ist und dass dieser Abschied besonders schmerzhaft ist, können wir uns alle vorstellen. 
Dieser Roman hat wirklich das, was ich mir für viele Romane wünsche: Charme gespickt mit Humor und, meines Erachtens ganz wichtig, vorallem Authentizität. Das Jahr und deren Ereignisse, die Groen in seinem Tagebuch aufzeichnet, sind so liebenswert beschrieben, dass ich mir fast, aber auch nur fast, eine Fortsetzung wünsche. Fast aber auch nur, weil ich keine Romane mag, die aus mehreren Bänden bestehen. Und im Übrigen ist dieser Roman für sich stimmig und eine Fortsetzung kommt insofern eh nicht in Frage.
Bleibt mir zum Schluss nur noch zu sagen:
Danke, Hendrik Groen!