Rezension

An diesem Buch stimmt alles: Die Birken wissen's noch

Die Birken wissen's noch - Lars Mytting

Die Birken wissen's noch
von Lars Mytting

Bewertet mit 5 Sternen

Über Bäume, Wälder, Holz und seine Verarbeitung, über eine Familie und über das, was Kriege anrichten.

Autor: Lars Mytting
 Titel: Die Birken wissen’s noch

Was für ein tolles Buch!
 Ein wenig "Und ewig singen die Wälder", aber noch viel mehr und dazu das Ganze modernisiert.
 Norwegen, letztes Viertel des vergangenen Jahrhunderts: Edvard lebt als Vollwaise bei seinem Großvater Sverre. Als er Anfang 20 ist, stirbt dieser. Es stellt sich heraus, dass seit Jahren ein kunstvoll gestalteter Sarg für Sverres Beerdigung bereit stand. Gefertigt offenbar von Edvards Onkel, Sverres Bruder, Einar. Allerdings sollte Einar zu der Zeit, als der Sarg deponiert wurde, angeblich bereits mehrere Jahrzehnte tot sein. Überhaupt entdeckt Edvard etliche Ungereimtheiten wie beispielsweise einen vornehmen Anzug und Eintrittskarten für Konzerte und Opern in Bayreuth und anderen namhaften deutschen Musikstätten und das mit Daten, an denen sein Großvater eigentlich zum jährlichen Treffen des Züchtervereins gereist war. Edvard begibt sich auf die Suche nach Erklärungen, die Spur führt ihn zunächst nach Großbritannien. Seinen Hof, dessen Einkünfte in erster Linie auf Kartoffelanbau und Schafzucht beruhen, lässt er in der Obhut seiner Jugendliebe, der Nachbarstochter Hanne. Auf den Shetlandinseln kann er mit Leuten sprechen, die den tatsächlich erst vor wenigen Jahren verstorbenen Einar gekannt haben, eine Frau namens Agnes hat ihn sogar geliebt. Eine junge Frau namens Gwendolyn kreuzt ebenfalls Edvards Weg. Immer mehr Puzzlesteine tauchen auf, gleichzeitig aber auch immer mehr neue Fragen. Eine weitere Fährte führt nach Frankreich. Ereignisse im ersten Weltkrieg - die Schlacht an der Somme - und im zweiten Weltkrieg - Résistance und Verrat - werden als äußerst wichtig für Edvards Vorfahren ermittelt. Nach und nach kommt ihm auch die Erinnerung daran wieder, dass er als dreijähriger Junge dabei war, als sein Vater und seine Mutter während eines Familienurlaubs in der Nähe der Schlachtfelder an der Somme ums Leben kamen, nachdem sie in einem wegen dort noch im Boden befindlicher Giftgasgranaten eigentlich abgesperrten gefährlichen Wäldchen verunglückten. Bei diesem Wäldchen handelt es sich um sehr seltenes kostbares altes Walnussholz, das ursprünglich einmal der Familie von Edwards Mutter gehört haben soll. Immer mehr lichtet sich das Dunkel, doch das Wissen macht nicht immer sicherer, welche Entscheidungen man treffen soll...
 Trotz vieler dramatischer Ereignisse ist diese Geschichte eine leise Geschichte. Keine Effekthascherei, keine brutalen grausamen Metzeleien, das mag angesichts von Hinrichtungen, Konzentrationslagern und Kriegsereignissen falsch klingen, aber gerade durch die ruhige Sprache wirken diese Ereignisse besonders.
 Fragen von Schuld und Sühne werden gestellt und sind wirklich nicht immer einfach zu beantworten. Auf jeden Fall bescheren sie dem Leser ausreichend Stoff zum Nachdenken.
 Ich habe dieses Buch innerhalb von zwei Tagen ausgelesen, denn ich vermochte es kaum aus der Hand zu legen, so sehr rissen die Ereignisse mich in ihrer Konsequenz für den sympathischen Protagonisten mit. Von Anfang an vermutete ich, dass mich dieses Buch faszinieren würde, aber ich hatte keinerlei Ahnung, wie stark es mich beeindrucken würde. Trotz aller menschlichen Tragödien ist im Hintergrund immer wieder die Natur zu spüren, vor allem der häufige Bezug zu Holz und Bäumen, aber auch Hinweise auf Vogelgezwitscher und Meeresbrandung lassen einem Atempausen zwischen dramatischen Entwicklungen.
 Von diesem Autor möchte ich sehr gern weitere Bücher lesen.
 Abschließend sei auch noch das schöne Cover erwähnt, das sich zudem noch angenehm anfühlte beim Lesen.
 Dicke Leseempfehlung und volle Punktzahl!