Rezension

Anstrengend - auf hohem Niveau

Euphorie -

Euphorie
von Elin Cullhed

Bewertet mit 3 Sternen

Was erwartet man, wenn man einen biografischen Roman über Sylvia Plath zu lesen beginnt? Man kennt vielleicht „Die Glasglocke“. Man weiß von ihrem Selbstmord und von ihrer problematischen Ehe mit Ted Hughes. Man kennt die Diskussion darüber, ob Hughes durch sein Verhalten Plaths Selbstmord ausgelöst hat. Vielleicht hat man gehört, dass Assia Wevill, Hughes Geliebte zur Zeit von Sylvias Tod, sechs Jahre später auf nahezu identische Weise Selbstmord begeht - und dass Hughes Sylvias „homicidal ghost“ die Schuld an diesem Tod gegeben hat.

Klar ist, dass der Fokus des Interesses für Plath im Wesentlichen auf ihrer Tragik liegt, also dem Selbstmord in der Blüte ihres Lebens  – weniger auf ihrem Werk, das dem von Hughes in nichts nachstehen soll. Gelingt es dem Roman von Cullhed, den Blickwinkel zu ändern?

Der Text vermittelt Sylvias Innenperspektive – ein Wagnis, das gelungen ist. „Ich wollte auch wie Ted nach oben ins Dachzimmer gehen und wichtig sein, aber ich wusste, dass jemand hier liegen und unendlich für sein Kind sein musste.“  Diese Passage (eine von vielen) dokumentiert Cullheds Talent für überraschende Formulierungen, die gleichzeitig befremden und überzeugen und dadurch das Wesen ihrer Protagonistin illustrieren.  Cullhed behauptet nicht, sie zeigt.

Sie lässt Sylvia sich in Eigenlob ergehen und zeigt damit ihre tiefe innere Unsicherheit. „Wer war ich, dass ich das Ganze zu einem Kompromiss zwischen Teds keltischer Eiseskälte und meiner grandiosen amerikanischen Strahlkraft hatte werden lassen?“ Cullheds Plath polarisiert. Sie oszilliert zwischen Arroganz und Unterwürfigkeit, zwischen Selbstmitleid und Exaltiertheit. Sie befremdet ihre Freunde mit Ausbrüchen künstlicher Heiterkeit, um sie im nächsten Moment zu brüskieren. Sylvia ist ganz Intellekt und im nächsten Moment „ganz obergärig von frischem Sauerstoff“, ein organisches Geschöpf, sehr irdisch, sinnlich, vulgär, dem Verfall preisgegeben. Hochs und Tiefs in gefühlter Endlosschleife. Das zu lesen, habe ich sehr genossen – und gleichzeitig als ungemein ermüdend empfunden. Ein emotionales Wechselbad, analog zu den Extremen, die Sylvia durchlitten haben muss. Das bei den Lesern auszulösen, ist zweifellos hohe Kunst.

Zum Ende hin erspart Cullhed uns dankenswerterweise ein Miterleben des Suizids – der Roman endet etwa zwei Monate vorher, nach Plaths Umzug nach London. Aber sie pflanzt Hinweise, dunkle Zeilen in Sylvias vordergründig hellem Narrativ. Plath ist am Ende ihrer Kraft. Gleichzeitig ist diese Zeit ihre produktivste Phase.

„Ich schrieb, bis mein Inneres ausgehöhlt war, bis ich mit jeder Faser spürte, dass mein Leib ein gekrümmter Bogen war, der Seele erbrach wie eine Art Eingeweide, das im Klo landen würde."

Ich bin mir nicht sicher, was ich aus diesem intensiven Text an Erkenntnis gewinnen kann. Plaths Ringen darum, Schriftstellerin zu werden, trotz der an sie gestellten Rollenerwartungen, tritt im Lauf der Story mehr und mehr in den Hintergrund. Ihr Schreiben erscheint als bloßer Schwanengesang, ja als Ausdruck ihrer Krankheit. Ob das der Künstlerin gerecht wird?

Für mich ein anstrengendes Buch, das mich letztlich in meinem Verständnis von Plath nicht weitergebracht hat. Am besten lese ich „Die Glasglocke“ noch einmal und lasse die Autorin selbst zu mir sprechen.