Rezension

Atmosphärisch düster – ein Must Read für Horrorfans

DECEMBER PARK - Ronald Malfi

DECEMBER PARK
von Ronald Malfi

Bewertet mit 4 Sternen

Oktober 1993 – über das verschlafene Küstenstädtchen Harting Farms in Maryland fällt ein dunkler Schatten. Kinder verschwinden spurlos und als dann die Leiche eines der vermissten Jugendlichen gefunden wird, glaubt niemand mehr an Ausreißer, denn das Mädchen wurde ermordet. Der Piper, wie der Täter nach dem Rattenfänger aus der Sage der Gebrüder Grimm genannt wird, versetzt die Einwohner von Harting Farms in Angst und Schrecken.
Angelo Mazzone (15) und seine Freunde Michael, Peter und Scott sowie der neu hinzugezogene Adrian stoßen durch Zufall auf eine Verbindung des Mordfalls mit den anderen Vermissten und beginnen auf eigene Faust zu ermitteln. Was als Spiel und mutiges Versprechen beginnt, wird schon bald zu einer gefährlichen Schnitzeljagd, bei der jeder verdächtig erscheint. Können die fünf Jugendlichen das Rätsel um den Piper lösen ohne dabei selbst ins Visier des Killers zu geraten?

Leseeindruck

"December Park" ist mein zweites Buch von Ronald Malfi, der mir bereits mit "Passenger" positiv in Erinnerung geblieben ist. Ich wusste, dass mich ein außergewöhnlicher und atmosphärisch dichter Schreibstil erwarten würde und wurde definitiv nicht enttäuscht. Das Buch wird wie folgt beworben:
"Dieser Coming-of-Age-Thriller ist Ronald Malfis persönlichster Roman, sein Magnum Opus, in das auch eigene Kindheitserinnerungen mit einflossen. Vergleiche zu Stephen Kings 'Es' und zu Dan Simmons’ 'Sommer der Nacht' drängen sich zwar auf, 'December Park' ist jedoch frei von übernatürlichen Elementen, dennoch nicht minder schaurig."
Nun ja, das kann ich so unterschreiben, wenngleich in Dan Simmons Werk (noch) nicht kenne. Malfi hat einen sehr intensiven und einnehmenden Stil und fesselt damit unabhängig vom Inhalt seiner Geschichte den Leser. Man kann und möchte das Buch nicht aus den Händen legen, ist gefangen vom Erzählstil und fühlt sich mitten in das Geschehen hineinversetzt.

"Die Zeit selbst schien zähflüssig wie Molasse vor sich hinzusickern und selbst die Uhren schienen langsamer zu ticken."

"Und der Sommer kochte unsere Seelen."

"Unsere kleine Truppe drang weiter in den Wald vor, als sich die Wirklichkeit dessen, was wir gerade machten, wie ein eiserner Dorn tief in meine Brust bohrte."

Ein feines Gespür und ein unbestreitbares Talent besitzt Malfi bei den Beschreibungen seiner düsteren Settings. Egal ob die "Dead Woods"; dunkle Tunnel; ein altes, verlassenes Haus; ein baufälliges Eisenbahndepot oder die Ruine eines abgebrannten Instituts – hier kommen Horrorfans ganz auf ihre Kosten. Chapeau!

Ebenfalls sehr bezeichnend sind Malfis Charakterbeschreibungen, die den Figuren eine enorme Tiefe verleihen. Er lässt sich Zeit beim Ausbau seiner Charaktere, gibt ihnen Ecken und Kanten, lässt sie fehlbar und doch sympathisch erscheinen. Die Interaktion der Figuren ist authentisch und interessant. Das Gefühlsleben der Protagonisten spielt eine wichtige Rolle und besonders bei heranwachsenden Jugendlichen ist das ein durchaus interessanter Einblick, den der Autor hier gewährt.

Malfi greift bei seinem Roman auf die Ich-Erzählperspektive zurück und lässt Angelo von den Ereignissen und Vorfällen in Harting Farms berichten. Obwohl ich diese Erzählperspektive nicht sonderlich mag, ist sie hier sehr treffend gewählt, bringt sie doch dem Leser Angelo als Person näher und macht ihn so greifbarer. Zusätzlich wird so die Grundspannung erhöht, da der Leser ja stets nur eben so viel Informationen wie der Protagonist selbst erhält.

Zum Plot und Spannungsbogen lässt sich sagen, dass es für mich keinerlei Längen gab, obwohl die Geschichte sehr langsam und beinahe einfühlsam erzählt wird. Es gibt keine reißerischen Szenen, was nicht bedeutet, dass es an Spannung fehlt. Ganz dezent und doch sehr wirkungsvoll streut Malfi einzelne Szenen wie Brotkrumen ein, die den Leser mitfiebern und erschauern lassen. Das mag nicht jedermanns Sache sein und einigen dürfte diese Art des Erzählens zäh vorkommen, aber meinen Nerv hat Malfi damit getroffen. Geschmackssache eben.

Es gab allerdings auch für mich einige kleinere Kritikpunkte, auf die ich an dieser Stelle nur bedingt eingehen kann, um nichts von der Handlung vorwegzunehmen. Soviel sei gesagt, die Ermittlungsarbeit der Polizei erscheint doch sehr stümperhaft und damit etwas unglaubwürdig. Was die fünf Jungs angeht, so musste ich mir hier und da ein Kopfschütteln verkneifen, fehlt es ihnen doch stellenweise sehr an Reife und Vernunft, die Jagd auf den Piper betreffend. Von Fünfzehnjährigen kann man sicher schon einen realistischeren Blick und mehr Einsicht erwarten.

Fazit

"December Park" konnte mich von der ersten Seite an fesseln – ein Thriller, den ich persönlich eher als Roman bezeichne und der mit leisen, intensiven Tönen und einem eingehenden Schreibstil überzeugt. Dennoch kommen Spannung und auch dezenter Horror nicht zu kurz.
Malfi selbst sagt über sein Werk: "This novel was very autobiographical for me and much of Angelo's character is based on myself. I was around that age in the '90s and so this novel was sort of a love letter to my childhood, my old friends, and all the things I loved as a kid."
So ist es also auch eine Geschichte über das Erwachsenwerden, tiefe Freundschaft und Verbundenheit, die Suche nach Antworten und das  Finden der eigenen Persönlichkeit. Wer sich auf diese "Liebeserklärung" einlassen kann, wird belohnt werden – garantiert.

- 4 von 5 Sternen -

 

Kommentare

Naibenak kommentierte am 04. November 2015 um 09:25

Huhu...ich habe mir das ebook nun auch geladen :-) Ist derzeit im Angebot^^ Deine Rezi ist toll und ich glaube, das ist genau etwas, was mir gefallen könnte! LG Bianca

yvy kommentierte am 04. November 2015 um 10:25

Ja, zu dem Preis muss man einfach zuschlagen. Ich habe das Angebot auch gesehen. ;)

Ich bin mir sicher - das Buch wird dir gefallen. Es ist bei mir ganz knapp an den 5 Sternen vorbeigeschrammt aber ich habe jede Seite genossen. Viel Lesevergnügen! :)