Rezension

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Auf den Spuren der Vorfahren

Der Schatz des Herrn Isakowitz - Danny Wattin

Der Schatz des Herrn Isakowitz
von Danny Wattin

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das Buch:
Der schwedische Autor Danny Wattin erzählt in seinem ersten in seinem ersten in Deutschland veröffentlichen Roman die Familiengeschichte seiner jüdischen Vorfahren. Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: In der Gegenwart macht sich Danny gemeinsam mit Vater und Sohn Leo auf den Weg nach Polen, um einen Schatz auszugraben, den sein Urgroßvater einst vor seiner Ermordung durch die Nationalsozialisten vergraben haben soll. Während der langen Autofahrt und der immer wiederkehrenden Zankereien mit seinem rechthaberischen Vater erinnert sich Danny an die Schicksale seiner Vorfahren. Ein großer Teil der Familie kam durch den Holocaust um, doch einigen gelang auch die Flucht nach Schweden, wo sie dennoch in ständiger Angst vor Verfolgung lebten und als billige Arbeitskräfte ausgenutzt wurden.
Schließlich erreicht die kleine Reisegesellschaft das ehemalige Marienwerder und begibt sich auf Spurensuche. Was hat es mit dem namensgebenden "Schatz des Herrn Isakowitz" auf sich?

Meine Meinung:
Als erstes muss ich die optische Aufmachung des Buches loben. Hier hat sich der Eichborn-Verlag viel Mühe gegeben; die Covergestaltung wirkt verspielt und zeitgemäß, ohne dabei den angemessenen Ernst im Hinblick auf die Thematik vermissen zu lassen. Innen helfen ein Stammbaum der Familie sowie Landkarten mit der verzeichneten Reiseroute dabei, den Überblick zu behalten.
Dies ist auch nötig, denn leider fand ich es extrem schwierig, die vorgestellten Personen richtig einordnen zu können. Abgesehen von Danny, seinen Eltern und seinem Sohn blieben die meisten der handelnden Personen blass für mich, obwohl ihre Lebensgeschichten oft bedrückend sind. Es gelang mir nicht, Personen an ihren Charakterzügen wiederzuerkennen, sondern immer nur anhand ihrer Lebenswege: "Ach ja, das war der, der nach Argentinien gegangen ist."
In einer Rezension, die ich gelesen habe, wurde die Roadmovie-Handlung in der Gegenwart kritisiert: Zu wenig Ereignisse, zu viel Geplänkel. Diesen Vorwurf kann ich zum Teil nachvollziehen. Einerseits machten die ewigen stichelnden Bemerkungen, die sich Danny und sein Vater während der Reise an den Kopf werfen, Sinn für mich. Sie zeigten, wie anstrengend Danny die Beziehung zu seinem Vater mitunter empfindet, ungeachtet aller Liebe und Hochachtung, die er für ihn fühlt. Warum sein Vater so ist, wie er nun mal ist, versteht Danny erst zu einem späteren Zeitpunkt der Geschichte, als er mehr über die Beziehung seines Vaters zu dessen Vater erfährt.
Andererseits passiert auf der Reise wirklich nicht genug, um den Titel "Roadmovie" zu rechtfertigen. Ein paar Mal verfährt man sich, weil Danny sich weigert, das moderne Navi zu benutzen, und das Essen in Polen ist für die drei Schweden ein kleines kulinarisches Abenteuer, aber damit hat es sich auch schon. (Man muss sich natürlich dabei in Erinnerung rufen, dass die Geschichte auf den Erlebnissen des Autors beruht. Dank Navigationssystem und Internet kann man Reisen heute im Voraus so gründlich planen und buchen, dass es dabei auch kaum Raum für "Abenteuer" und Ungeplantes gibt.)
Gut gefallen hingegen hat mir, über den zweiten Weltkrieg aus der Perspektive der nach Schweden geflohenen Juden zu erfahren. Dies war neu für mich; das schwere Los der Flüchtlinge trotz ihrer vergleichsweise "sicheren" Lage (anders als ihre Verwandten, die es nicht geschafft hatten, Deutschland zu verlassen) zum Beispiel hatte ich mir nie wirklich bewusst gemacht. In anderen Büchern, die den Zweiten Weltkrieg zum Thema haben, wurde Schweden immer als ein sicheres und friedliches Land dargestellt, in dem Menschen ein neues Leben beginnen und ihre schrecklichen Erfahrungen hinter sich lassen können. Wie dieses neue Leben aussehen kann, stellt Danny Wattin anschaulich dar.
Das Thema "Schatzsuche" nimmt in dem Roman einen recht geringen Teil ein; wer sich darauf freut, von Menschen mit Werkzeugen zu lesen, die alte Gegenstände ausgraben, wird vermutlich enttäuscht werden. Mir war eigentlich von Anfang an klar,

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Insgesamt ließ sich "Der Schatz des Herrn Isakowitz" schnell durchlesen. Dennoch entwickelte der Roman keinen wirklichen "Sog" für mich: Durch die Sprünge in der Zeit und die unterschiedlichen Familiengeschichten wirkte alles etwas episodenhaft; wenn man zwischendurch mal unterbrechen muss, ist es nicht schlimm und stört auch den Lesefluss nicht.
Wer Spannung sucht, wird hier vermutlich nicht fündig werden. Wer das Ganze mit dem Hintergedanken liest, eine relativ unbekannte Seite jüdischer Auswanderer-Schicksale kennenzulernen, schon eher.
Ich habe das Buch bei einer Testleseaktion gewonnen und habe mich gut davon unterhalten gefühlt, allerdings fehlte mir das gewisse Etwas: Eher "nett" als "mitreißend, humorvoll, berührend", wie der Roman im Klappentext angepriesen wird.