Rezension

Auf die Spitze getrieben

Der Circle
von Dave Eggers

Bewertet mit 3 Sternen

Wie viele andere junge Menschen träumt Mae von einem Job beim Circle. Das hochmoderne Unternehmen steht für höchste Transparenz und hat die Internetnutzung mit der einen oder anderen Idee bereits revolutioniert. Und tatsächlich hat Mae nun die Chance hier zu arbeiten und die will sie ich um keinen Preis versauen!

Eggers Roman um diesen riesigen Datenkraken, mit dessen Eigenarten Mae nach und nach umzugehen lernt, war durchaus interessant. Er zeigt wie der Circle manipuliert, wie er wächst, seine Mitarbeiter aussaugt und wie er dabei nach außen hin eine weiße Weste bewahrt. Gerade als Hörbuch hörte es sich in einem Rutsch weg und hat mich gut unterhalten.

Leider hatte ich mit ein paar Aspekten so meine Problemchen. Da wäre zum einen Mae. Ja ja, ich weiß, der Circle ist eine Allegorie. Eine „Was wäre wenn“-Geschichte, die eine unbedarfte Mitläuferin wie Mae als Hauptfigur braucht. Aber dieses ständige ja-gesage, dieses ständige missdeuten der eigenen Intuition, nur um weiterhin dazuzugehören, ging mir irgendwann auf den Senkel. „Jetzt denk doch mal nach, Mädel!“ wollte ich ihr ständig zurufen. Ich habe auf den Punkt gewartet an dem es selbst ihr zu viel wird, aber der kommt nicht. Ganz im Gegenteil...

Gläserne Politiker, gläserne Patienten, gläserne Bürger. Auch das war eine interessante und auf die Spitze getriebene Idee. Ich habe mich nur gefragt, wer die allen ernstes gut finden soll, wenn doch schon an Mae klar wird, dass so bereits ein einfaches Gespräch mit realen Freunden quasi instant unmöglich wird. Geschweige denn Dinge, bei denen man einfach kein anderen Menschen dabei haben will: Ein erstes Date, ein vertrautes Gespräch, ein schlechter Tag, Ärger vom Chef, ein legendär betrunkener Abend. Und all das für immer online abrufbar? Selbst zum Wohle der Menschheit will sich doch niemand wirklich bei Geburt, Kindererziehung oder einer Magenverstimmung global über die Schulter schauen lassen?

Über weite Teile war mir dann auch die Story zu repetitiv. Statt die Handlung voranzutreiben bekommt Mae eine zusätzliche Aufgabe, einen zusätzlichen Bildschirm, eine zusätzliche Pflichtaktivität. Eine neue Technik jagt die nächste und die Handlung bleibt dabei etwas auf der Strecke. Ich hätte mir einen größeren Fokus auf die Kritiker des Circle gewünscht anstatt mich wie Mae mit Zahlen und Daten überschütten zu lassen.

Der Circle wirft ein interessantes Gedankenspiel auf, das immer weiter und weiter getrieben wird. Dabei wurde es mir leider irgendwann zu unglaubwürdig. Aber trotz meiner persönlichen Kritik ist Eggers hier definitiv ein Roman gelungen, über den man wunderbar diskutieren und nachdenken kann und der etwas mit einem macht. Nur ein bisschen kürzer hätte es schon sein dürfen.

Kommentare

Emswashed kommentierte am 13. Juli 2021 um 19:37

Obwohl der Circle zu seinen bekanntesten Roman gehört, hat er mich auch nicht hundertprozentig überzeugt... das kann Eggers besser. Trotzdem wichtiges Thema.