Rezension

Bedrohliche Atmosphäre, subtile Spannung & Gänsehaut

Die stillen Gefährten -

Die stillen Gefährten
von Laura Purcell

Bewertet mit 4 Sternen

England, 1866. Nach dem plötzlichen Tod des Mannes zieht die schwangere Witwe Elsie in das Landhaus ihres Ehemannes. Statt glücklicher, gemeinsamer Tage erwartet sie kalte Einsamkeit, die sich durch das beängstigende Gemäuer verstärkt. In einem verschlossenen Raum findet sie ein Tagebuch. Darin steht, dass sich 200 Jahre zuvor Schauriges in dem Haus ereignete.

„Die stillen Gefährten“ ist eine viktorianische Geistergeschichte atmosphärisch und fesselnd erzählt, sodass sich Gänsehaut breit macht und sich die Haare aufstellen.

Elsie ist frisch verheiratet und schon wieder Witwe. Mit ihrem Bruder Joylon und der Cousine ihres Mannes, Sarah, zieht sie in das Landhaus, das für glückliche Ehejahre war. Doch statt sich langsam an den neuen Mann an ihrer Seite zu gewöhnen, trägt sie ihn zu Grabe und ist in dem unheimlichen Landhaus auf sich gestellt. 

Nachts bemerkt sie merkwürdige Geräusche, die Dienerschaft verhält sich eigenartig und die Dorfbewohner meiden das Anwesen und seinen Bewohnern. In einem verschlossenen Raum finden Elsie und Sarah ein Tagebuch, das von einem Drama vor 200 Jahren erzählt. Außerdem entdecken sie eine Holzfigur, die als stiller Gefährte eine bedrohliche Aura verströmt.

Die Figuren empfand ich als unsympathisch und trotzdem hochinteressant gestrickt. Elsie ist die junge, schöne Witwe, die durch ihre Heirat ihr Familienunternehmen aus der finanziellen Misere gerettet hat. Jetzt trägt sie das Kind des verstorbenen Ehemanns im Leib und hütet ein Geheimnis aus ihrer Kindheit, das nach oben drängt. Sie trauert um ihre Zukunft, um ihr Leben als Ehefrau, um die Möglichkeit, den Mann an ihrer Seite kennenzulernen und ist wütend, weil sie in der Abgeschiedenheit des Landhauses ihr Dasein fristet.

Sarah steht der Frau ihres Cousins zur Seite, so weit es ihr möglich ist. Sie hat ein frommes, angenehmes Wesen und wird dennoch von Elsie mit Verachtung gestraft. Manchmal wirkt sie einfältig, naiv und ihre Loyalität gegenüber Elsie ist meiner Ansicht nach bewundernswert. Sie sorgt für Wärme, Mitgefühl und Leben im Haus, während sich die düstere Atmosphäre still aus dem verschlossenen Raum des Anwesens schleicht.

Wer ein Landhaus in glänzender Pracht erwartet, wird genauso enttäuscht wie Elsie sein. Die besten Zeiten hat das Gemäuer hinter sich. Die Dienerschaft ist minimal angelegt und an allen Ecken und Enden herrscht Renovierungsbedarf. Nicht nur, dass es verstaubt, leblos und ungemütlich darin ist, sondern es ist von einem gespenstischen Ambiente durchzogen, das auf Nerven und Gemüter von Bewohner und Leser schlägt.

Als Elsie und Sarah eines Tages in den verschlossenen Raum eindringen, finden sie alte Tagebücher und einen stillen Gefährten, der sich bald als unheilvoller Mitbewohner erweist. 

Die titelgebenden stillen Gefährten sind lebensgroße Holzfiguren, die ich mir wie eine exklusivere Version von Pappmaché-Aufstellern vorstelle. 1866 handelt es sich dabei um eine Kuriosität, welche Aufmerksamkeit und Begeisterung erregt. Aber wenn schon das Anwesen an sich gruselig ist, braucht es nicht kein Übermaß an Fantasie, um den Holz-Aufstellern Leben einzuhauchen, das zur Bedrohung für die Bewohner wird.

Im Grunde ist es eine klassische Gruselgeschichte, die mehr aufgrund seiner angespannten und schaurigen Atmosphäre als durch die tatsächlichen Ereignisse zum Fürchten einlädt. Ganz im viktorianischen Stil entwickelt sich eine Dynamik aus Vermutungen, mysteriösen Vorkommnissen und der Vergangenheit der Figuren, die sie zwischen Wahn und Realität taumeln lässt. 

Mittendrin stehen die stillen Gefährten, die von vornherein bedrohlich wirken, als Sinnbild für Gefahr dienen und vielleicht mehr als eine Kuriosität aus einem Laden sind.

Zwischendrin erhält man Einblicke in die Tagebücher, die aus dem Jahr 1635 sind. Damals ereignete sich Grausiges, was eventuell die Ursache für das Unglück in der Gegenwart von 1866 ist. 

Der Erzählstil ist vage gehalten. Die angespannte, schaurige Atmosphäre zieht sich durch das gesamte Buch und ist von Zweideutigkeit und verschwommenen Anspielungen geprägt. Dadurch ergibt sich ein gespenstischer Sog, der dem Leser Gänsehaut beschert und man jagt bis zum Ende der Auflösung des Geschehens hinterher. 

Obwohl es eher ruhig und nur unterschwellig spannend ist, weht ein gruseliges Lüftchen, das für die richtige Stimmung sorgt. Ich habe sogar von den stillen Gefährten geträumt und bin mitten in der Nacht völlig benommen aufgeschreckt.

Die unscharfe Sicht auf die Ereignisse wird bis zum Ende hin nicht gelöst. Zwar wird man am Schluss mit einem erschreckenden Moment aus der Geschichte entlassen, doch man bleibt mit vielen Fragen zurück, was insgesamt nicht vollkommen zufriedenstellend ist.

Im Endeffekt ist „Die stillen Gefährten“ genau das, was der Untertitel verspricht: Eine viktorianische Geistergeschichte, die mit ihrer bedrohlichen Atmosphäre für subtile Spannung, Gänsehaut und packende Lesestunden sorgt.