Rezension

Beeindruckender historischer Roman

Die Legende der Luna Levi - Gordana Kuic

Die Legende der Luna Levi
von Gordana Kuić

Bewertet mit 5 Sternen

"..."Was ist nach Eurer werten Meinung die größte Gefahr für den Bestand eines Reiches?" " Das Gefühl völliger Sicherheit und unangefochtener Übermacht. Das ist ein Übermut, für den man später teuer bezahlen muss."..."

 

Wir schreiben das Jahr 1492. Nach dem Sieg über die Mauren werden vom spanischen König auch die Juden aus dem Land getrieben. Mit dem letzten Schiffen verlassen Salomon von Toledo und die Waise Blanca die spanische Küste Richtung Istanbul.

Kurze Zeit später stellt der spanische Großinquisitor fest, dass sein engster Mitarbeiter Juan Garcia Galan de Olivares verschwunden ist.

Die Autorin hat einen beeindruckenden historischen Roman geschrieben. Das Buch zeichnet sich durch seine Sprachgewalt, die vielfältigen darin enthaltenen geschichtlichen Fakten und die häufig spürbare exakte Recherche aus.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert.Salomon ist mit der Flucht aus Spanien zu seinen jüdischen Wurzeln zurückgekehrt. Blancas Großvater, der kurz vor Auslaufen des Schiffes verstorben ist, hat ihn diesen Weg gewiesen. In der jüdischen Gemeinde Istanbuls fasst Salomon schnell Fuß, kommt zu Reichtum und erhält selbst die Anerkennung des Paschas. Blanca fühlt sich bei ihm geborgen. Ihre Ehe beruht auf Liebe und gegenseitiger Anerkennung.

Mehr und mehr wendet sich die Geschichte ihrer gemeinsamen Tochter Luna zu. Das Mädchen fällt schon als Kind durch ihre Wissbegierde auf. Sie ist vielseitig interessiert, selbstbewusst und ihrer Zeit weit voraus. So denkt sie über die Notwendigkeit von Schulbildung für Mädchen nach.

Die Autorin versteht es, die persönlichen Schicksale geschickt in den historischen Kontext einzubetten. Als besonderes Stilelement hat sie einen zweiten Handlungsstrang integriert. Im Auftrage des Großinquisitors machen sich zwei Männer auf die Suche nach Salomon. Unterschiedlicher kann ein Pärchen nicht sein. Das sorgt nicht nur für zwischenmenschliche Spannung, sondern wird von der Autorin gleichzeitig genutzt, um verschiedene Weltsichten gegenüber zu stellen.

Detailgenau wird das Leben in Istanbul beschrieben. Dabei erfahre ich vieles über jüdische Feiertage, aber auch über die unterschiedlichen geistigen Strömungen in der jüdischen Gemeinde. Die Ankunft der spanischen Juden in Istanbul wirkt befruchtend auf die Entwicklung. Der Sultan, der sie eingeladen hatte, hat dies vorab erkannt. Er billigt ihnen erstaunlich viele Rechte zu.

Fast wie nebenbei fließen Informationen über die zu dieser Zeit stattfindenden politischen Vorgänge in Europa ein. Zu den Höhepunkten der sprachlichen Gestaltung gehören für mich die Dialoge zwischen Salomon und Orlu Pascha. Sie gehen in die Tiefe und beleuchten die gesellschaftlichen Gegebenheiten vielfältig. Gleichzeitig zeugen sie von Toleranz und gegenseitiger Achtung. Obiges Zitat stammt aus einem der Gespräche. Sie geben auch über wieder Einblicke in die Psyche der beiden Protagonisten. Ähnlich bewegend ist der Briefwechsel zwischen Luna und Orlu Pascha. Die Briefe sind teilweise in poetischer Sprache gehalten und arbeiten Geschehnisse der Vergangenheit auf. Dadurch wollen sich beiden Partner besser kennenlernen.

Ein Glossar und eine Anmerkung der Übersetzer vervollständigen das Buch.

Das in hellem Braun gehaltene Cover mit dem Frauenkopf im oberen und den Blick auf die Stadt im unteren Teil passt zum Thema des Buches.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es gibt einen umfassenden Einblick in eine besondere Epoche der jüdischen Geschichte und erzählt nebenbei von der Kraft der Liebe.