Rezension

Bewegend, facettenreich & fesselnd !!

Ich bin der Abgrund -

Ich bin der Abgrund
von Donato Carrisi

Der Müllmann lebt ein Leben der Gewohnheit und Routine, mit Ausnahme des gelegentlichen, aber denkwürdigen besonderen Abends. Was er nicht weiß, ist, dass alles in wenigen Stunden auf den Kopf gestellt werden wird – durch die Begegnung mit einem Mädchen mit einer lila Haarsträhne. Er, der sich entschieden hat, unsichtbar zu sein, ein kaum wahrnehmbarer Schatten am Rande der Gesellschaft, wird in die unsägliche Geschichte dieses Mädchens verwickelt werden. Und noch etwas weiß der Müllmann nicht: dass da draußen schon jemand nach ihm sucht. Die Fliegenjägerin hat sich eine Mission gesetzt: den Schatten im Herzen des Abgrunds zur Strecke zu bringen.

 

Meine Meinung:

Das Buch macht alleine von der Optik schon einiges her, meine Aufmerksamkeit hatte es vom ersten Augenblick an. Hinzu kommt noch, dass sich die Gestalter hier auch bei der Haptik viel Mühe gegeben haben..so kann man den Schriftzug des Titels sogar fühlen, die einzelnen Buchstaben erscheinen wie ins Cover geritzt.

Thematisch möchte ich definitiv eine Triggerwarnung aussprechen, denn hier werden unter anderem Vergewaltigung, Selbstmord und Gewalt an Kindern thematisiert. "Ich bin der Abgrund" ist also alles andere als leichte Kost, aber ich glaube damit rechnet nach diesem Titel, der absolut hält, was er verspricht, auch niemand. Alle Charaktere bleiben mehr oder weniger namenlos, was wohl so gewollt ist, vielleicht auch um die Verbindung beim Lesen nicht so intensiv zu gestalten. Die Protagonisten, die wir begleiten, haben allesamt eine bewegte Vergangenheit, die alles andere als einfach war. Der Müllmann hat eine Kindheit durchlebt, die ich so keinem Kind wünsche, denn Gewalt und Vernachlässigung waren an der Tagesordnung. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, als sei er absolut ungewollt geboren worden. Die Grausamkeiten, die seine Mutter ihm gegenüber auslebt, sind kaum zu überbieten. Das Mädchen mit der lila Haarsträhne leidet eher still vor sich hin, weil es in ihrem Elternhaus keine Zuneigung, Nähe oder gar Zusammenhalt gibt. Und die Fliegenjägerin versucht die Vergangenheit zu bewältigen, indem sie anderen Frauen hilft sich zu wehren. Ich konnte mich beim Lesen nicht mit den Figuren identifizieren oder mich in sie hineinversetzen, trotzdem habe ich mit ihnen gelitten. Das ist mir so in diesem Ausmaß auch noch nicht passiert.

Der Schreibstil des Autors ist genial, ich mag seine Art, wie er Situationen beschreibt. Er versucht nichts zu beschönigen, auch wenn das manchmal erschreckend offen ist, trifft er damit den Kern der Dinge ganz genau. Nachdem ich begonnen hatte das Buch zu lesen, wollte ich es nicht mehr zur Seite legen. Die Ereignisse werden intensiv erläutert, aber immer aus der Sicht eines Außenstehenden. Trotzdem sind mir die Schicksale sehr nahe gegangen und ich habe vieles hinterfragt.

Ich kann euch das Buch nur ans Herz legen, aber erwartet bitte keine seichte Unterhaltungskost !!