Rezension

Bilderbuch für Liebhaber

Schischyphusch - Wolfgang Borchert

Schischyphusch
von Wolfgang Borchert

 

„Schischyphusch“ ist der Titel einer humorvollen und zugleich nachdenklichen Kurzgeschichte, die aus Borcherts früher Prosa stammt und bereits 1947 in einer Jugendzeitschrift veröffentlicht wurde. Die vorliegende nostalgisch angehauchte, von Birgit Schössow illustrierte Ausgabe ist sicherlich die attraktivste. Konsequenterweise wird hier auch die alte Rechtschreibung beibehalten.

Aus kindlicher Sicht erzählt Wolfgang Borchert seine Erinnerungen an ein folgenreiches Zusammentreffen seines Onkels mit einem Kellner, „an einem sonnigen Sommertag nachmittags in einem großen, prächtigen bunten Gartenlokal.“  Aufgrund einer Kriegsverletzung lispelt der Onkel sehr stark und glaubt, dass sich der Kellner, der seine Bestellung aufnimmt, über ihn lustig macht, weil er ebenfalls lispelt. Es kommt zu einem Wortgefecht, das dem kleinen Wolfgang und seiner Mutter sehr peinlich ist. Doch schließlich klärt sich alles als Missverständnis auf; denn auch der Kellner hat einen Sprachfehler, allerdings von Geburt an. So kommen sich die ungleichen beiden Männer näher.

Birgit Schössow hat den Text der Kurzgeschichte in ganzseitige, zart-farbige Aquarelle gekleidet, die das Flair der 20er Jahre ausdrucksstark widerspiegeln. Borcherts poetische Sprache setzt sie in ebenso poetische Bilder um. Während sie die Atmosphäre eines lauen Sommertages und die Festtagslaune der Cafégäste vor dem Betrachter erstehen lässt, verbildlicht sie gleichzeitig Borcherts Beschreibung des peinlichen Berührtseins der Mutter, die Mimik von Kellner und Onkel. Auch der leise Humor des Schriftstellers findet sich in Schössows Illustrationen wieder. Die Künstlerin „erweitert“ seine Geschichte sogar um die Darstellung  anderer Lokalbesucher, die neugierig der Diskussion zwischen Onkel und Kellner lauschen oder unbeteiligt ihre eigenen Gespräche führen. Liebevolle Details vervollständigen das Buch. So ist der Berg abgeräumten Geschirrs, gestapelt auf dem Büfett, sowie das schmutzige Kellnertuch aus dem Blickwinkel eines Kindes dargestellt („Ich war damals gerade so groß, daß ich die Nase auf den Tisch legen konnte.“). Vor- und Nachsatzblätter behalten ebenfalls das Motiv des Gartenlokal-Besuchs bei: sie sind mit Kaffee- und Limonadenflecken „bekleckert“ , sogar die aufgeschlagene Speisekarte ist abgebildet. Und noch ein Schmankerl: als Beobachter der Szenerie sitzen sich zwei berühmte Besucher im Gartencafé gegenüber, wenn auch erst auf der letzten Seite abgebildet: der Schriftsteller Wolfgang Borchert und Birgit Schössow, die Illustratorin, selbst.

Mein Fazit: Ein bezauberndes Bilderbuch für Erwachsene mit Sinn für Nostalgie und Humor.