Rezension

Blutig – packend – klasse!

Das große Schweigen - Katja Montejano

Das große Schweigen
von Katja Montejano

Bewertet mit 4 Sternen

»Hey, Bulle! Du musst ruhig bleiben, sonst kannst du nicht atmen, und du erstickst in deinem eigenen Blut. Wenn du erneut versuchst, deinen Mund aufzuzwängen, wird die zarte Haut deiner Lippen reissen. Also lass es lieber, denn ich habe dir dein beschissenes Maul zugenäht, nachdem ich dir alle Zähne gezogen hatte. Das Taubheitsgefühl in deinem Körper wird dich bald verlassen, und du wirst unerträgliche Schmerzen erleiden. Nenne es einfach die Hölle auf Erden! Und, nein, du kannst nicht schreien, du kannst nur deine Atemzüge zählen und warten, bis der Sensenmann dich holen kommt.«

Primrose Bouillé, eine ehemalige Kripobeamtin, ist schockiert: Auf ihren Vater, einen Berner Staranwalt, wurde ein brutaler Mordanschlag verübt. Sie ahnt nicht, dass die unfassbare Tat nur der leise Auftakt zu einem Alptraum war, der sie von nun an begleiten wird. Immer mehr Menschen aus ihrem Umfeld werden grausam zu Tode gefoltert und sie selbst erhält fortwährend Nachrichten, die keinen Zweifel daran lassen, wen der Killer noch so im Visier hat…

 

Puh, nach diesem Buch muss man erst mal kurz durchschnaufen. Dieses Buch möchte in einem Rutsch gelesen werden, es packt seinen Leser und lässt ihn bis zum Ende nicht mehr los. Schon nach kurzer Zeit hielt ich alles für möglich: dass am Schluss alle tot sind, dass der Täter davonkommt… Auflösung und Ende passen gut dazu, sie sind schlüssig und wirken realistisch – das mag ich sehr. Vom „Heile-Welt-Gedanken“ kann sich der Leser hier ohnehin schnell verabschieden. Der Killer zeigt einen unglaublichen Sadismus und eine enorme „Kreativität“ bei seinen grausamen Aktivitäten. Wenn man es als Leser blutig mag, ist man hier genau richtig. Umgekehrt gilt: Wer da empfindlich ist, sollte besser ein anderes Buch wählen ;-)

 

Eine ganz und gar nicht „Heile Welt“ wird zudem thematisiert, wenn die Autorin ein übles Kapitel in der Geschichte der Schweiz angeht – die „administrativ Versorgten“. Bis 1981 konnten die dortigen Behörden Jugendliche einsperren lassen, ohne dass ein Verbrechen vorlag. Es reichte, wenn man irgendwie „negativ aufgefallen“ war, einen „liederlichen“ oder „unsittlichen“ Lebenswandel führte oder als „arbeitsscheu“ galt. Weitere Gründe waren beispielsweise „Vaganterei“, Drogensucht oder Prostitution. Tausende Menschen wurden so unschuldig weggesperrt, allein im Kanton Bern wurden zwischen 1952 und 1981 2.700 Menschen „administrativ versorgt“.

 

Dass mit einer solchen „Versorgung“ junge Menschen nachhaltig traumatisiert werden können, ist unzweifelhaft. Will sich hier jemand für erlittenes Leid rächen? Aber Primrose, eine Frau von 37 Jahren, kann mit diesen alten Vorfällen nichts zu tun haben. Wo sind die Zusammenhänge? Es bleibt rätselhaft, es bleibt spannend.

 

Ich ziehe einen Punkt ab, weil ich mit Primrose einfach nicht warm werden konnte. (Ihr Kollege Luc war dafür umso sympathischer ;-) Außerdem hatte ich schon recht früh eine Ahnung, was den Täter angeht. Der Spannung tat das aber keinen Abbruch.

 

Fazit: Mehr Thriller als Krimi. Sehr blutig und packend mit einem interessanten Einblick in ein übles Kapitel Schweizer Geschichte.

 

»GEFÄLLT DIR MEIN GESCHENK, FOTZE? ICH WERDE DICH FRESSEN UND ZUSEHEN, WIE DU LANGSAM VERRECKST!«