Rezension

Bühne frei für das Verwirrspiel

Die Marseille-Connection - Massimo Carlotto

Die Marseille-Connection
von Massimo Carlotto

Bewertet mit 4 Sternen

In der düstere Metropole zwischen Afrika und Europa tobt ein Territorialkrieg. Kommissarin Bourdet - knallhart, hässlich und mit einer Schwäche für schöne Frauen - tut nicht nur Gutes, um das Böse zu verhindern. Sie hat ihre eigene Definition von Verbrechensbekämpfung. Ein korsischer Mafiaboss alter Schule und ein Berufskiller, der sein Handwerk in den Drogenkriegen Südamerikas gelernt hat, helfen ihr dabei. Das bekommen Sosim, Sunil, Guiseppe und Inez zu spüren. Sie haben zusammen Ökönomie in Leeds studiert und kommen nach Marseille, um die Welt zu erobern. Geldwäsche, Betrug, Ökö- und Wirtschaftskriminalität auf der internationalen Bühne sind ihr Geschäft.

Willkommen in Russland, Indien, Paraguay und vor allem: Willkommen in Marseille, wo Drogen, Gewalt und Territorialkriege zum Alltag von Kommissarin Bourdet und den hiesigen Tageszeitungen gehört. Bereiten Sie sich auf aufregendes Verwirrspiel auf 240 Seiten vor.

Das Buch ist in verschiedene Kapitel unterteilt. Da Carlotto einen Anfangs auf eine kleine Weltreise schickt, werden am Anfang auch noch Längen- und Breitengrade angegeben, wo man sich jetzt überhaupt aufhält. Keine Angst, man erfährt auch aus dem Text selber, wo man gerade ist. Durch die sehr bildliche Sprache und die "Vorstellungen" entsteht schnell der Eindruck, dass man kein Buch in der Hand hält, sondern sich einen Film anschaut. Verspielte Details und lange Ausschmückungen wird man vergeblich suchen, dafür jede Menge Action, Mafia und Kriminalität.

Genauso häufig, wie in der "Marseille-Connection" Nebencharaktere auftauchen, werden auch die verschiedenen Blickwinkel gewechselt. Und so begleitet man erst Sosim oder Bourdet und dann einen eher unwichtigen Nebencharakter, um dann beispielsweise wieder zu Bourdet zu wechseln. Neben einem guten Namengedächnis sollte man sich auch nicht leicht aus dem Konzept bringen lassen, denn ansonsten findet man sich in einem wahren Albtraum wieder. Ganz am Ende befindet sich noch ein kleines Register mit den wichtigsten Personen (was in erster Linie bei den Identitätswechseln hilft und nochmal übersichtlicht zeigt, wer nochmal auf wessen Seite ist (oder sein sollte)), die trotz der Fülle an Menschen sehr kurz ausfällt. Gewöhnungsbedürftig dürften auch die Namen sein, denn neben Franzosen, Indern, Chinesen und Italienern sind am stärksten spanische und russische Namen (besonders Nachnamen) anzutreffen. Solange man aber niemandem vorlesen möchte, sollte das nun wirklich nicht tragisch sein.

Massimo Carlottos Charaktere haben mich ehrlich gesagt alle an Personen aus einem Film erinnert. Wenig Tiefgang und kaum bis keine Vorgeschichte. Der Einzige mit Charisma war der korsische Mafiosi. Mit Sosim konnte ich mich auch noch recht gut anfreunden. Den Rest kann man ungefähr so beschreiben: Sie kamen aus dem Nichts, hinterließen kaum Spuren und verschwanden wieder im Nichts.
Kommissarin Bourdet, alias B.B., fand ich persönlich einfach nur schrecklich. Ja, es war ja irgendwie toll, dass man der Fantasie freien Lauf lassen konnte, wie sie nun aussieht, aber menschlich war die Frau einfach nur gräßlich. So sollte sie auch rüberkommen, keine Frage. Leider hatte sie nur ein derart männliches Auftreten, dass sie eigentlich einen Bart braucht (und damit meine ich einen richtigen und keinen Damenbart.)

Nichtsdestotrotz hat mich "Die Marseille-Connection" ziemlich gefesselt. Für volle fünf Sterne reicht es nicht, aber für die kurze und spannende Unterhaltung gebe ich trotzdem gerne vier Sterne.