Rezension

Der Mensch hat mehr von einem Affen als so mancher Affe,

Affenbruder - Kenneth Oppel

Affenbruder
von Kenneth Oppel

Bewertet mit 4 Sternen

Zu Beginn ist Ben alles andere als begeistert über den Einzug des Schimpansen Zan. Schließlich musste er nur wegen diesem Experiment seines Vaters umziehen. Der hatte es sich in den Kopf gesetzt, einen Affen wie einen Menschen großzuziehen und ihm die Zeichensprache zu erlernen. Doch bald wandelt sich Bens Abneigung - Zan wird wie ein Bruder für ihn, Zan IST sein Bruder. Umso härter trifft es ihn, als sein Vater das Experiment Zan für gescheitert erklärt. 

Kenneth Oppel hat definitiv ein Talent zu schreiben. Die Kapitel sind angenehm kurz, der Schreibstil flott und angenehm zu lesen, der Einstieg in das Buch wird dem Leser also denkbar einfach gemacht. Doch damit ist es nicht getan. 
Ich weiß nicht, woran es liegt, ob Kenneth Oppel sich selbst noch so gut an seine Kindheit erinnern kann, ob er seine eigenen einfach intensiv beobachtet oder ob sie ihm in endlosen "waswärewenn" Szenarios erklärt haben, wie Kinder ticken - jedenfalls hat Oppel ein unglaubliches Einfühlungsvermögen in seinem Werk bewiesen. Ich war erstaunt, wie authentisch der 13 jährige Ben beschrieben ist. Seine anfängliche Abneigung - welcher Teenie würde da anders reagieren, die gehen ja meist schon bei "normalen" kleinen Geschwistern erstmal auf die Barrikaden, wenn sie dafür Abstriche machen müssen - , die sich langsam, ganz langsam und vorsichtig in eine leichte Zuneigung bis schließlich zu einer tiefen, innigen Liebe, zu der SO auch nur Kinder fähig sind, wandelt. CHAPEU! Besser geht es an dieser Stelle absolut nicht!

Deshalb hat mir persönlich der Anfang der Geschichte am meisten Spaß gemacht - aber auch der Rest läuft auf hohem Niveau. Das Buch hat Spannung, das Buch hat Herz, das Buch hat alles, was ein Buch braucht. Der Leser entwickelt eine Verbindung zu den Protagonisten, die Geschichte liefert einen Antagonisten. 
Die Handlung hat überraschende Wendungen und manchmal sogar leichten Tränchen Faktor. 

Ein zusätzlicher Pluspunkt war für mich das kritische Auseinandersetzen mit einer sowieso schwierigen Thematik. In wie weit sind Experimente mit Tieren zu befürworten? Welche Folgen kann das Ganze haben, positiv sowie negativ. Obwohl Oppel hier nach meinem subjektiven Empfinden einen eher auf der Tierschutzseite steht, sieht man hier an keiner Stelle einen mahnenden Zeigefinger. Es ist viel mehr das aufzeigen von Fakten, eingebettet in eine wundervolle emotionale Geschichte. Was der Leser letztendlich damit anfängt, bleibt ihm selbst überlassen.

Wo kommt nun also der fehlende Stern her, der eigentlich nur ein halber ist, nach all dem Lob? Für mich waren die Parallelen zu "Planet der Affen" einfach zu groß. Der Schimpanse, der ins Haus kommt, der Familie Probleme macht, wieder weggegeben wird, die Flucht in den Wald.. für mich war das einen Ticken zu viel. Ansonsten war das Buch ein Erfolg auf ganzer Linie!