Rezension

Die Kraft des Lichts

Der Ruf des Königs -

Der Ruf des Königs
von Corinna Wolf

Bewertet mit 5 Sternen

„...Heute Nacht habe ich von meinem Heimatdorf geträumt. Zeit ist schon merkwürdig. Ich habe zwanzig Jahre nicht an ihn gedacht, aber nun vermisse ich die Gegenwart meines besten Freundes...“

 

Dieses Zitat aus einem Gespräch zwischen dem König und einem alten Mann steht im Prolog eines Buches, das eine ungewöhnlich strukturierte Geschichte erzählt. Es dauert, bis mir klar wird, dass der Dialog in die zweite Zeitetappe gehört.

Die Autorin hat einen Fantasyroman geschrieben, der anfangs den Kampf zwischen dem Licht und der Dunkelheit schildert. Das ist aber, auf das gesamte Buch gesehen, nicht einmal die halbe Wahrheit.

Die Geschichte beginnt 15 Jahre vor dem Großen Krieg. In einem Dorf erleben der Bauer Ilai und sein Freund Lukas, dass immer wieder Krieger über das Gebirge kommen. Sie wollen zerstören und hinterlassen verbrannte Erde. Da hört Ilai wie viele andere eine leise Stimme, die ihn gen Osten ruft.

145 Jahre nach den Großen Krieg zieht Yara mit ihrem Bruder Nathan über das Gebirge. Sie wollen im dortigen Land leben. Freiwillig haben sie sich dem König dafür zur Verfügung gestellt.

655 Jahre nach dem Großen Krieg nimmt Kanan an der Diskussion des Regierungsrates teil. Aber in ihm ist eine große Unzufriedenheit.

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Zwar erfordert die Zeitsprünge, die sich abwechseln, eine gehörige Aufmerksamkeit, da sie aber immer wieder konkretisiert werden, gewöhnt man sich daran.

Das Land und seine Bewohner werden gut charakterisiert. Für die Natur findet die Autorin passende Metapher.

 

„...Jetzt, im Herbst, lag noch leichter Nebel über den Wald und den Feldern. Die aufgehende Sonne brachte ihn zum Leuchten. Sie schien das Grün der Bäume und der Wiesen noch intensiver werden zu lassen...“

 

Ilai findet im Osten den König des Lichts. Dem voraus geht ein sehr intensives Gespräch mit seinem Freund Lukas.

 

„...Kampf kann einfach nicht der richtige Weg sein. Sie töten uns, wir töten sie, und wer wird am Ende übrig sein?...“

 

Der König wird sie zum Frieden führen. Zuvor hatte auch der Feind die Chance, sich für das Licht zu entscheiden. Sie kannten seine Macht – und hätten sie selbst gern besessen. Trotzdem wählten sie den Tod.

Das Land hinter dem Gebirge bleibt 145 Jahre unberührt. Dann machen sich Menschen auf, um es zu besiedeln. Zuvor hat Yara ein Gespräch mit dem König. Er erklärt ihr:

 

„...Als der Krieg begonnen hatte, existierte noch eine Möglichkeit für die Solech […] Doch mit jeder verlorenen Schlacht hatten sie sich weiter in die Dunkelheit bewegt. […] Ihre Taten hatten ihr eigenes Land vernichtet. Ich löschte diese Dunkelheit aus...“

 

Sehr spannend wird die Überquerung des Gebirges geschildert.Was sie dann erwartete, traf sie – und mich als Leser – unvorbereitet. Allerdings hatten wir den König nicht richtig zugehört. Das Land war eine Wüste. Es existierte nichts. Es musste erst wieder Leben in die Gegend gebracht werden. Schön wird beschrieben, wie das Land Stück für Stück erblühte, nachdem die Ankömmlinge nach langer Zeit begriffen hatten, welche Kräfte ihnen der König mitgegeben hatte.

Im letzten Teil ist der König nicht mehr bei seinem Volk. Sie erwarten eine Rückkehr. Doch das geschieht passiv. Man ist den alten Ritualen verhaftet geblieben. Es fehlt eine Aufbruchstimmung. Genau das fühlt Kanan. Warten allein kann nicht die Lösung sein. Zu den inhaltlichen Höhepunkten in diesem Teil gehören die Diskussionen zwischen Jalis und Kanan.

 

„…Was ist freier Wille, wenn alles vorherbestimmt ist? Kann es ihn überhaupt geben, wenn Elouan bereits weiß, was wir tun werden? Möglicherweise ja, denn unser König lebt außerhalb von Zeit. Er weiß, wie wir uns entscheiden werden, das heißt aber nicht, dass unsere Entscheidungen nicht frei getroffen werden...“

 

Das Buch verknüpft eine fesselnde Handlung mit tiefgründigen Gesprächen und führt mich dabei in ein Land der Fantasy.

Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie regt zum Nachdenken an.