Rezension

Die Magie des Lesens

Das Mädchen, das in der Metro las - Christine Féret-Fleury

Das Mädchen, das in der Metro las
von Christine Féret-Fleury

Bewertet mit 4 Sternen

Tag für Tag sitzt Juliette auf dem Weg zur Arbeit in der Metro und hat die Nase in ein Buch gesteckt. Während an ihr die Straßen von Paris vorbeiziehen, begibt sie sich in entfernte Welten ihrer Romane, um am Ende an ihrem Arbeitsplatz wieder aufzutauchen. Aber eines Tages steigt sie zwei Stationen zu früh aus der Metro aus und trifft auf diesen Weg Soliman, der ihr noch mehr über Bücher lehren wird.

Dieses Buch musste ich einfach haben, weil die Beschreibung schon fast auf mich zutrifft. Ich sitze ebenfalls jeden Tag im Zug und bin in mein jeweiliges Buch vertieft. Daher hatte Juliette schon einmal ordentliches Identifikationspotential für mich.

Juliette trifft den ominösen Soliman, der sich in einem Büro hinter Stapeln von Büchern verbirgt. Allein aus dieser Eigenschaft heraus habe ich mit Soliman sofort Freundschaft geschlossen. Ein Mann, der sich umgeben von Büchern wohlfühlt, kann für mich nur ein Sympathieträger sein. Doch damit nicht genug, Soliman erklärt Juliette seine Mission, bei der sie ihm helfen soll. Er meint, dass jedes Buch die Macht hat, Leben zum positiven zu verändern. Es muss nur dem richtigen Leser in die Hände fallen. 

Im weiteren Verlauf der Geschichte begleitet man Juliette wie sie sich mit Solimans Philosophie auseinandersetzt und in seinem Auftrag Bücher verteilt. Aber dann nehmen die Ereignisse eine unvorhergesehene Wendung und ihr Leben ändert sich radikal. Ob sie das richtige Buch gelesen hat?

Mir hat gefallen, dass dieses Büchlein die Inspiration durch Geschichten und Romane als Thema hat. Für mich sind Bücher greifbare Magie, die Farbe in den tristen Alltag bringt. Denn Bücher ermöglichen es, uns in fremde Leben einzufühlen, neue Länder zu entdecken und furchteinflößende Szenarien zu durchleben ohne gleich drei Wochen Urlaub antreten zu müssen. Außerdem sind sie treue Begleiter für jede (Warte-) Situation. Sei es abends, bevor man die Augen schließt, morgens, wenn man im Zug sitzt oder wenn man einfach nur mal richtig abschalten will. 

Dieses Buch zeichnet sich außerdem durch einen poetischen Sprachgebrauch und seine wunderbare Lesens-Philosophie aus. Gleichzeitig macht die Autorin aber klar, dass Bücher zwar die menschliche Vorstellungskraft beflügeln, mögliche Änderungen dennoch in der Realität stattfinden. Lesen verleiht dem Leben Farbe, ist aber kein Ausweg aus der Trostlosigkeit.

Ungefähr ab der Hälfte des Romans ist es mir dann eine Spur zu philosophisch geworden und die Handlung ist mir abhanden gekommen. Denn die Hintergründe um Soliman und seine Mission haben sich mir nicht erschlossen und ich schaffe es auch nicht, hier etwas hineinzuinterpretieren. 

Trotzdem hat die Autorin einen runden Abschluss geschafft, indem sie Juliette zur Tat schreiten lässt. Ich habe jetzt eine wunderbare Vorstellung von einem zitronengelben Bus im Kopf, die mich schmunzeln lässt. Zudem wird am Ende eine interessante Bücherliste mitgeliefert, die man selbst jederzeit ergänzen kann. 

"Das Mädchen, das in der Metro las" ist ein bezaubernder Roman über die Macht der Bücher und die Magie des Lesens, die es ins echte Leben umzusetzen gilt. Es war mir ein Vergnügen Juliette in der Metro und auf ihrem Weg aus dem eintönigen Alltag zu begleiten. Ich hoffe, dass sie noch viele Leser finden wird.