Rezension

Die Saat des Bösen

Denk an mich in der Nacht - Joanne Harris

Denk an mich in der Nacht
von Joanne Harris

Bewertet mit 3 Sternen

Ich habe noch nicht viele Vampir-Romane gelesen, wenn man mal von den Büchern über Anton und Rüdiger und in jüngerer Zeit der Bis(s)-Reihe absieht. Ich mag aber sogenannte Gruselromane oder -geschichten, deren bekannster Vertreter wohl E.A. Poe wäre.

Joanne Harris kenne ich durch "Chocolat", ein Buch, das ich wirklich gern gelesen habe, das aber ja eindeutig ein Liebesroman ist. Und so war ich sehr gespannt, inwieweit sich "Denk an mich in der Nacht" an schnulzige Liebesgeschichten mit Glitzervampirchen anlehnt und damit dem Trend folgt. Es war für mich daher eine freudige Überraschung zu lesen, daß es sich um eine Neuauflage eines älteren Werkes der Autorin handelt, das noch vor dem Vampir-Boom entstanden ist. Somit schien die Gefahr gebannt, daß hier jemand noch schnell mit heißer Nadel einen Roman zusammengesponnen hat, um auf einen fahrenden Zug aufspringen zu können...

"Denk an mich in der Nacht" ist in zwei Erzählstränge aufgeteilt, einen, der in der Vergangenheit spielt und die Erlebnisse eines Daniel erzählt und einen Strang, der sich in der Gegenwart mit Alice beschäftigt. Beherrscht wird die gesamte Geschichte von einer Bande Wesen, die durch alle Zeiten überleben, gespeist von Blut und Erinnerung. Sowohl Daniel, als auch Alice müssen sich dem Kampf gegen sie stellen und machen dabei grausame Erfahrungen.

Der Schreibstil ist anfänglich der jeweiligen Zeit angepasst. Daniel, der seine Geschichte selbst erzählt, schreibt zunächst blumiger und verschachtelter, der Part über Alice wirkt geradliniger und nüchterner. Im Laufe des Romans verwischt sich diese Idee leider. Der Text bleibt aber insgesamt flüssig und dicht und sehr angenehm zu lesen.

Trotz der durchaus spannenden Idee und der auch nicht mißlungenen Umsetzung blieb die Geschichte mir seltsam fremd, die Figuren, obwohl klar charakterisiert, blieben blass. Vorallem die doch eigentlich alles beherrschende Rosemary/Ginny erschien mir recht leb-und farblos. Einzig bei Daniel gab es Momente, in denen er lebendig zu werden schien. Vielleicht lag es an den Unstimmigkeiten, von denen dieses Buch leider einige hat, daß ich nicht recht in einen Lesefluss kam. Was unterscheidet Rosemary von den anderen und führt zu ihrer Vormachtstellung? Wieso nimmt jemand nach drei Jahren ohne Kontakt die Freundin des Exfreundes auf, vorallem nach dem dieser nicht einmal sonderlich sympathisch auftritt? Wieso gibt es die Vampirgruppe nach Daniels Feuer noch?

Andere Erzählstränge wurden nicht weiterverfolgt. Wieso erwählt Java Alice? Wozu dienen Whiskey und Drogen? Und wem gehört das weiße Gesicht im Hof kurz vor dem Showdown? Was wird aus Dr. Menezies und wozu war dieser Part überhaupt da?

Für einen Debütroman ein sehr gelungenes Werk, mit interessanten Ideen, aber einer noch etwas holprigen Umsetzung. Für Harris-Fans ist es sicher toll, diesen Roman nun wieder lesen zu können. Ich frage mich allerdings, was die heute erfahrenere Autorin wohl  aus der Geschichte machen würde, schriebe sie sie gänzlich neu...