Rezension

Dorfkrimi

Erntedank in Vertikow - Frank Friedrichs

Erntedank in Vertikow
von Frank Friedrichs

Bewertet mit 4.5 Sternen

Seit seinem Motorradunfall sitzt Peer im Rollstuhl. Die Situation überfordert ihn, er fühlt sich hilf- und mutlos. Selbst für kleine Alltagsdinge braucht er Hilfe. Im mecklenburgischen Dörfchen Vertikow, wo er bis zu seinem Unfall Organist war, hatte er auch nicht allzu engen Kontakt mit den Nachbarn. Orgelspielen fällt weg, wie soll er denn auf die Empore kommen?
Da beobachtet er einen Unfall, die Nachbarin Gertrud Kuhn wurde von einem Pick up angefahren, der Fahrer flüchtet mit hoher Geschwindigkeit. Peer Wesendonk ist sich sicher, das war Absicht, das war Mord! Allerdings sieht die Polizei das anders, seine Beobachtungen schiebt man auf sein Unfalltrauma, zudem geht das Gerücht im Dorf um, Getrud Kuhn wäre dem Alkohol nicht abgeneigt gewesen.
Also beginnt Peer auf eigene Faust zu ermitteln, sogar die Pastorenfrau Peggy und der Altbürgermeister unterstützen ihn dabei, vielleicht hoffen sie, dass er mit dieser „Beschäftigungstherapie“ seinen Lebensmut wiederfindet. Kommissar Andrea Templin ist ebenfalls nicht ganz dagegen und dazu kommt, dass es zwischen den beiden recht heftig knistert.
Ein Dorf, ruhig, abgelegen und eigentlich ein Idyll, aber hinter den Fassaden brodelt es recht heftig. Alte Animositäten, die bin in die Wendezeit zurückreichen, lauern unter der Oberfläche. Für den Wessi Peer ist das nicht immer leicht zu durchschauen. Das Stimmungsbild des Dorfes hat mir ausnehmend gut gefallen, die Atmosphäre ist realistisch geschildert, die Menschen so vielschichtig wie im normalen Leben. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß und Gut und Böse. Die Vergangenheit bestimmt noch häufig das Handeln der Nachbarn.
Der Krimi kommt eher leise daher, es ist durchaus spannend, was Peer im Lauf seiner Detektivspielerei erfährt, viel wichtiger ist aber, wie sich die Menschen und er selbst mit dem Wissen arrangieren. Besonders gut gefallen hat mir die Beschreibung Peers. Wie ein Mann mit der plötzlichen Hilflosigkeit umgeht, wie er sich zuerst auflehnt, dann fast resigniert und nach vielen Rückschlägen seinen Platz findet , war mir genauso spannend dargestellt, wie die Mördersuche.
„Erntedank in Vertikow“ ist ein Regionalkrimi im besten Sinn. Ein Psychogramm eines Dorfes und seiner Bewohner, das in eine spannende und immer mit leisem Humor und Ironie unterlegte Geschichte gebettet ist.