Rezension

Duell der Serienmörder

Die Totensammler - Paul Cleave

Die Totensammler
von Paul Cleave

Bewertet mit 4 Sternen

Spannender Pageturner der speziellen Art

Das arme Cristchurch! „Gott weiß nicht mal, dass dieser Ort überhaupt existiert.“ Ein düsteres Bild seiner Heimatstadt malt Paul Cleave. Und wenn es nach seinen Büchern ginge, gäbe es wohl kaum noch eine nennenswerte Zahl an Einwohnern, so viele Irre, so viele Tote, so viele Serienmörder. Ich habe sie nicht gezählt, aber in „Die Totensammler“ gibt es 3 aktive und mindestens 10 weitere, die zumindest erwähnt werden. Auch Theo Tate ist nicht gerade ein „Good Boy“. Er hat mindestens eine Leiche im Keller – pardon im Wald vergraben.

So ganz ernst kann ich seine Bücher nicht nehmen, denn mit der Realität – sei es nun in Neuseeland oder anderswo – haben sie wirklich nicht viel zu tun. Das macht aber auch ihren Reiz aus, denn mit dieser Distanz des Irrealen, kann man sich entspannt auf das intime „Du und Du“ mit Serienmördern einlassen und sich dabei auch noch recht gut amüsieren. Es gibt wenige Stellen, die wirklich unter die Haut gehen und so kann man sich ganz der intellektuellen Herausforderung stellen, zu erraten, wer diese Massaker wohl überleben wird.

Dass die Geschichte sehr konstruiert ist, stört dabei nicht weiter. Das muss sie vielleicht sogar sein, denn nur so lassen sich die vielen überraschenden Wendungen überzeugend einbringen. Man fühlt sich am Ende regelrecht schwindlig. „Es ist unheimlich. Als wäre ich weit über die Straßenkarte hinausgefahren und in einer ganz fremden Welt gelandet.“

Der schnörkellose sarkastische Stil gefällt mir persönlich ganz gut. „Entweder ist der Stadtverwaltung  dieser Teil der Welt egal, oder die Einheimischen haben die Schilder abmontiert, in der Hoffnung, dass sich ein Fremder hier so lange verirrt, bis er sich mit dem Genpool der Landbevölkerung vermischt.“ Und selbst die plattesten Klischees wirken bei Cleave nicht platt, sondern authentisch. „Ich lasse den Finger über die Linien gleiten und wünsche meine Frau wäre hier, denn sie würde einfach nach dem Weg fragen.“

Die zentrale Aussage des Buchs ist für mich, dass in jedem von uns ein Monster haust, das nur darauf wartet, hinaus gelassen zu werden. „Jugendliche in schwarzen Kapuzenshirts lehnen gegen Autos, lachen, rauchen, trinken Bier und zeigen vorbeifahrenden Wagen den Stinkefinger. Sie alle tragen unglaublich tief hängende Jeans, die unglaublich viel zeigen und in mir das starke Verlangen wecken, sie über den Haufen zu fahren.“ Ja, auch in mir lauert es, denn dieses Verlangen kenne ich und noch viele, viele, ja geradezu unglaublich viele weitere.

Ich hätte mir gewünscht, dass etwas mehr von der morbiden Atmosphäre der Schauplätze – es handelt sich um 3 geschlossene Irrenanstalten – eingeflossen wäre. Seit John Sauls „Blackstone Chroniken“ bin ich davon fasziniert. Aber da schwächelt Cleave leider etwas.

„… und nur damit das klar ist, Christchurch ist in Wirklichkeit ganz anders, als ich es in meinen Büchern beschreibe. Ich liebe Christchurch, es ist eine wunderbare Stadt, ja, die beste Stadt der Welt.“ Wie gut, dass ich das Nachwort gelesen habe, aber so was Ähnliches ahnte ich schon.